Rz. 10
In diesen Fallkonstellationen richtet sich die Wirksamkeit des Widerrufs nach der Regel des § 131 Abs. 2 BGB. Liegt bei beschränkter Geschäftsfähigkeit die Einwilligung des gesetzlichen Vertreters nach § 131 Abs. 2 S. 2 BGB vor, so genügt der Zugang des Widerrufs bei dem beschränkt geschäftsfähigen Ehegatten. Gegenüber einem Ehegatten, der zwar in seiner Geschäftsfähigkeit beschränkt ist, der aber nach den Regelungen des § 2229 BGB über die Testierfähigkeit selbst einen Widerruf seiner wechselbezüglichen Verfügungen erklären könnte, kann auch der Widerruf selbst erklärt werden. Es würde in der Tat nicht einleuchtend erscheinen, könnte jemand einen Widerruf erklären, diesem aber gegenüber ein Widerruf selbst nicht erklärt werden können. Insofern werden hier die Regelungen des § 131 BGB durch die Regelungen des § 2229 BGB ergänzt. Gleiches gilt, wenn man hier den Gedanken der Vorschrift des § 164 Abs. 3 BGB nutzbar machen will. Diese Vorschrift geht davon aus, dass jemand, der die Rechtsmacht hat, eine bestimmte Erklärung abzugeben, auch die Rechtsmacht hat, Erklärungen desselben Inhalts entgegenzunehmen.
Rz. 11
Fraglich und problematisch in der Praxis werden eher die Fälle sein, in denen man es mit einem volljährigen Ehegatten zu tun hat, der möglicherweise geschäftsunfähig ist und dem gegenüber ein Widerruf erklärt werden soll. Vom gesetzgeberischen Reformeifer sind diese Fragen bislang unberührt geblieben. Inzwischen gibt es aber zumindest obergerichtliche Entscheidungen, die sich mit diesen Problempunkten befassen. Danach soll der Betreuer mit dem Aufgabenkreis der Vermögenssorge Vertreter des Betreuten sein, so dass diesem gegenüber der Widerruf wirksam nach § 131 BGB erklärt werden kann. Diese Meinung wird in der Literatur fast einhellig geteilt. Freilich vermag diese Ansicht nicht überzeugend zu erklären, wie in den Fällen, in denen der Erklärungsempfänger nicht nur unter Betreuung steht oder zu stellen wäre, sondern geschäftsunfähig ist, der Schutzzweck des § 2271 Abs. 1 S. 1 BGB gewahrt sein kann. Danach soll der Widerrufsempfänger durch den formalisierten Widerruf gerade in die Lage versetzt werden, auf die durch den Widerruf bedingte Unwirksamkeit zu reagieren und der veränderten Sachlage nach entsprechende Verfügungen zu treffen, da weder der Betreuer noch der Geschäftsunfähige auf den Widerruf reagieren können. Zumindest in diesen Fallkonstellationen erscheint die vorstehend wiedergegebene Ansicht daher m.E. unzutreffend.
Rz. 12
Ist kein Betreuer für den betreffenden Ehegatten bestellt, wird auf jeden Fall sicherheitshalber dem anderen Ehegatten gegenüber zunächst der Zugang des Widerrufs sichergestellt werden müssen. In der weiteren zeitlichen Abfolge sollte dann versucht werden, einen Betreuer mit dem Aufgabenkreis der Wahrnehmung von Vermögensangelegenheiten für den möglicherweise geschäftsunfähigen Ehegatten bestellen zu lassen.
Rz. 13
Das Risiko, dass derjenige volljährige Ehegatte, dem gegenüber der Widerruf erklärt werden müsste, geschäftsunfähig ist, verbleibt voll bei dem widerrufenden Ehegatten. Dieser könnte lediglich versuchen, über die Anregung einer Betreuung oder einer Unterbringung über die dazu zu erstellenden Gutachten darauf hinzuwirken, dass diese sich auch zu der Frage der Geschäftsunfähigkeit bzw. Testierfähigkeit äußern. Auf diese Art und Weise könnte er zumindest Klarheit erlangen. Einen rechtlichen Anspruch darauf hat er jedoch nicht.
Rz. 14
Das Risiko wird sich in der Praxis jedoch in Grenzen halten, da es erfahrungsgemäß äußerst schwierig ist, in einem str. Verfahren/Erbscheinsverfahren nach dem Tod der betreffenden Person deren Testierunfähigkeit/Geschäftsunfähigkeit festzustellen, sofern diese nicht schon zu Lebzeiten festgestellt worden war. Damit verbleibt das Risiko der Feststellung der Geschäftsunfähigkeit stets bei demjenigen, der nach dem Tod der betreffenden Person für sich aus der Testierunfähigkeit Rechte herleiten will. Dass eine solche Regelung weder der Rechtssicherheit noch der materiellen Gerechtigkeit dient, ist offensichtlich, aber de lege lata hinzunehmen.