Dr. Manuel Tanck, Jaane Kind
Gesetzestext
(1)Hat der Erblasser den Gegenstand eines vertragsmäßig angeordneten Vermächtnisses in der Absicht, den Bedachten zu beeinträchtigen, zerstört, beiseite geschafft oder beschädigt, so tritt, soweit der Erbe dadurch außerstande gesetzt ist, die Leistung zu bewirken, an die Stelle des Gegenstands der Wert.
(2)1Hat der Erblasser den Gegenstand in der Absicht, den Bedachten zu beeinträchtigen, veräußert oder belastet, so ist der Erbe verpflichtet, dem Bedachten den Gegenstand zu verschaffen oder die Belastung zu beseitigen; auf diese Verpflichtung findet die Vorschrift des § 2170 Abs. 2 entsprechende Anwendung. 2Ist die Veräußerung oder die Belastung schenkweise erfolgt, so steht dem Bedachten, soweit er Ersatz nicht von dem Erben erlangen kann, der im § 2287 bestimmte Anspruch gegen den Beschenkten zu.
A. Allgemeines
Rz. 1
Durch die (erbrechtliche) Bindungswirkung des Erbvertrages wird der Erblasser nicht in seiner Verfügungsfreiheit beeinträchtigt; das bedeutet, er kann weiterhin über sein Vermögen unter Lebenden verfügen, § 2286 BGB. Die §§ 2287, 2288 BGB schützen die vertragsmäßig Bedachten, wenn der Erblasser seine Verfügungsfreiheit missbraucht. § 2287 BGB dient dem Schutz des Vertragserben, § 2288 BGB dem Schutz des Vermächtnisnehmers. Weil das Vermächtnis nach §§ 2169, 2171, 2279 BGB nur dann wirksam ist, wenn sich der vermachte Gegenstand zur Zeit des Erbfalls im Nachlass befindet, geht § 2288 BGB weiter als § 2287 BGB und gewährt dem Vermächtnisnehmer Ansprüche auch bei entgeltlicher Zuwendung, ebenso wie bei Beeinträchtigung durch tatsächliche Maßnahmen, wie Zerstörung oder Beschädigung. Im Fall der Schenkung richtet sich der Anspruch in erster Linie gegen den Erben und nur ersatzweise gegen den Beschenkten, Abs. 2 S. 2. Die Vorschrift ist auch auf bindend gewordene wechselbezügliche Verfügungen anzuwenden. Sie ist für Auflagen nicht vorgesehen. Zur "Aushöhlungsnichtigkeit"-Rspr. des BGH vgl. die Erläuterungen zu § 2286 BGB.
B. Tatbestand
I. Tatsächliche Beeinträchtigung
Rz. 2
Durch § 2288 BGB wird die Verfügungsfreiheit des Erblassers nicht beeinträchtigt, § 2286 BGB; der Erblasser kann weiterhin über sein Vermögen unter Lebenden verfügen. Missbraucht der Erblasser aber diese Verfügungsfreiheit, indem er den vermachten Gegenstand absichtlich zerstört, beiseite schafft oder beschädigt, um den Vermächtnisnehmer zu beeinträchtigen, dann greift Abs. 1 ein. Abs. 1 umfasst auch den Untergang des Gegenstandes durch Verbrauch oder Verbindung und Vermischung, nicht aber Beeinträchtigungen durch Unterlassen. Der Vermächtnisnehmer wird daher nicht beeinträchtigt, wenn das vermachte Grundstück Schäden aufweist, weil der Erblasser das Objekt nicht instand gehalten hat.
II. Veräußerung oder Belastung
Rz. 3
Abs. 2 regelt die Beeinträchtigung durch Veräußerung in Abweichung zu § 2169 BGB und die Beeinträchtigung durch Belastung in Abweichung zu § 2165 BGB, indem er in diesen Fällen dem Vermächtnisnehmer einen Anspruch gegen den Erben gibt. Er richtet sich auf Verschaffung des vermachten Gegenstandes oder Beseitigung der Belastung; damit wird das Vermächtnis als Verschaffungsvermächtnis behandelt, § 2170 BGB. Abs. 2 enthält eine Verweisung auf diese Vorschrift, insoweit als sich der Erbe bei (subjektiver) Unmöglichkeit oder bei unverhältnismäßigen Aufwendungen von der Verschaffung des vermachten Gegenstandes oder der Beseitigung der Belastung durch Entrichtung des Wertes befreien kann. Erfasst wird jedes Verfügungsgeschäft – entgeltlich oder unentgeltlich (vgl. Abs. 1 S. 2) –, durch das der Gegenstand völlig oder auch nur teilweise veräußert oder belastet wird. Auch das schuldrechtliche Verpflichtungsgeschäft fällt darunter. Eine Vermietung oder Verpachtung von Vermächtnisgrundstücken wird nicht vom Schutz des § 2288 BGB umfasst. Dies gilt selbst für den Fall, dass es sich bei dem Mietverhältnis um verschleierte langfristige unentgeltliche Gebrauchsüberlassungen handelt.
III. Beeinträchtigungsabsicht
Rz. 4
§ 2288 BGB setzt ebenso wie § 2287 BGB voraus, dass der Erblasser die Absicht hatte, den Bedachten zu beeinträchtigen, und damit seine Verfügungsfreiheit nach § 2286 BGB missbraucht hat. Der Missbrauch ist bei anerkennenswertem Eigeninteresse des Erblassers an der Zuwendung zu verneinen. Der BGH hat dabei seine Rspr. zum lebzeitigen Eigeninteresse bei § 2287 BGB auf § 2288 BGB übertragen; insoweit wird auf die Erläuterungen zu § 2287 BGB verwiesen. Entscheidend für das Vorliegen eines lebzeitigen Eigeninteresses ist, dass es sich z.B. gerade auf die Veräußerung des verm...