Dr. Manuel Tanck, Jaane Kind
Rz. 4
Die Schenkung bzw. das selbstständige Schuldversprechen oder Schuldanerkenntnis müssen unter der Bedingung erteilt worden sein, dass der Beschenkte den Schenker überlebt; die Bedingung kann eine aufschiebende oder auch eine auflösende – nämlich dass der Beschenkte vorverstirbt – sein. Hat der Schenker ein unbedingtes Schenkungsversprechen abgegeben oder hat er die Schenkung unter einer anderen Bedingung erteilt, dann ist der Anwendungsbereich des § 2301 BGB nicht eröffnet. Entscheidend ist, dass das Schenkungsversprechen – nicht die Erfüllung – bedingt ist; das bedeutet, dass bei einem unbedingten Schenkungsversprechen, bei dem nur die Erfüllung bis zum Tod des Schenkers hinausgeschoben werden soll, § 2301 BGB keine Anwendung findet, z.B. wenn unter Lebenden eine Geldsumme zugewendet wird, die dem Bedachten beim Tod des Schenkers entgeltlich zufallen soll. Für ein unbedingtes Schenkungsversprechen kommt es daher darauf an, ob bereits zu Lebzeiten Rechte und Pflichten begründet werden sollten (auch wenn sie erst mit dem Tod eines Beteiligten wirksam werden sollten). Der Widerrufsvorbehalt als solcher steht der Annahme als (unbedingte) Schenkung unter Lebenden jedoch nicht entgegen. Erfolgt die Schenkung unter der Bedingung, dass beide – Schenker und Beschenkter – gleichzeitig versterben, ist § 2301 BGB nicht anwendbar.
Rz. 5
In der Praxis wird die Schenkung nur ausnahmsweise ausdrücklich unter diese Bedingung gestellt werden; sie wird sich in den meisten Fällen aus den Umständen, insbesondere der Interessenlage, ergeben. Soll die Schenkung auf die Erben des Beschenkten übergehen, dann liegt eine unbedingte Schenkung vor; kommt der Person des Beschenkten entscheidende Bedeutung zu, dann kann eine Übertragung auf Erben im Zweifel nicht gewollt sein, so dass eine bedingte Schenkung anzunehmen ist. Rechnet der Schenker mit seinem Tod oder erfolgt die Zuwendung an seine juristische Person (vgl. hierzu die Ausführungen zum "Bonifatius-Fall", Rdn 7), dann wird man dem Willen des Schenkers nur mit der Annahme einer unbedingten Schenkung gerecht; insbesondere bedeutet die Angabe eines Beweggrundes, z.B. baldiges Versterben, nicht die Aufstellung einer Bedingung. In diesen Fällen tritt aber die Umgehung der erbvertraglichen Vorschriften besonders deutlich zu Tage, so dass auch dieser Aspekt zu berücksichtigen ist und nicht verdrängt werden darf. Beide Aspekte sind in Einklang zu bringen. Ob nun eine letztwillige Verfügung oder ein Rechtsgeschäft unter Lebenden vorliegt, ist in den Fällen entscheidend, in denen die Schenkung nach dem Tod des Schenkers vollzogen wird; denn durch den Vollzug der Schenkung tritt zwar eine Heilung nach § 518 Abs. 2 BGB, nicht aber nach § 2301 Abs. 2 BGB ein. Bestehen Zweifel darüber, ob die Zuwendung im Wege einer letztwilligen Verfügung oder als Rechtsgeschäft unter Lebenden erfolgen solle, dann ist § 2084 BGB analog heranzuziehen; das bedeutet, dass im Zweifel diejenige Rechtsform anzunehmen ist, bei der die Zuwendung wirksam ist.