Rz. 47
Neben der Auskunft über den bloßen Bestand des (realen u. fiktiven) Nachlasses hat der Pflichtteilsberechtigte auch Anspruch auf die Ermittlung des Wertes der Nachlassgegenstände. Es handelt sich insoweit um einen eigenständigen Anspruch, der von dem Auskunftsanspruch grundsätzlich unabhängig ist. Aus diesem Grunde muss er vom Pflichtteilsberechtigten auch gesondert geltend gemacht werden und ist nicht (automatisch) im allgemeinen Auskunftsbegehren enthalten. Gegenstand der Wertermittlung ist das zum Nachlass gehörende Vermögen. Soweit die Nachlasszugehörigkeit bestritten ist, trägt der Pflichtteilsberechtigte insoweit die Darlegungs- und Beweislast. Hat der Erblasser sich im Wege eines entgeltlichen Austauschgeschäfts zum Erwerb bzw. zur Übereignung von Vermögensgegenständen gegen Entgelt verpflichtet, so sollen Leistungs- bzw. Gegenleistungsanspruch (sozusagen Aktiv- und Passivposten) sich gegenseitig ausgleichen mit der Folge, dass eine Wertermittlung hinsichtlich beider Vermögensgegenstände rechtsmissbräuchlich sei. Diese Sichtweise überzeugt tatsächlich aber nicht. Denn gerade die Frage, ob sich in derartigen Fällen Leistung und Gegenleistung in einem ausgewogenen Verhältnis gegenüberstehen oder ob nicht doch teilweise unentgeltliche Zuwendungen vorliegen bzw. vom Erblasser beabsichtigt waren, ist für den Pflichtteilsberechtigten von erheblicher Bedeutung. Soweit also nicht offensichtlich feststeht, dass Leistung und Gegenleistung als gleichwertig zu betrachten sind, muss der Pflichtteilsberechtigte die Möglichkeit haben, auch hinsichtlich solcher Vermögensgegenstände eine Wertermittlung zu verlangen.
Rz. 48
Ziel des Wertermittlungsanspruchs (der nicht auf die bloße Weitergabe von Wissen gerichtet ist) ist es, den Pflichtteilsberechtigten in die Lage zu versetzen, seinen Pflichtteilsanspruch berechnen zu können. Zu diesem Zweck hat der Verpflichtete alle Unterlagen und Informationen, die für die konkrete Wertermittlung der Nachlassgegenstände von Bedeutung sind, vorzulegen. Der Umfang der Informationspflichten ist vor diesem Hintergrund auch von dem der Bewertung zugrunde zu legenden Verfahren abhängig. So sind, wenn die Bewertung z.B. eines gewerblichen Unternehmens oder einer Immobilie nach dem Ertragswertverfahren vorgenommen werden muss, alle hierzu benötigten Angaben (hierzu gehören u.a. Bilanzen, Gewinn- und Verlustrechnungen, Umsatzzahlen, Geschäftsbücher und Belege etc.) vom Wertermittlungsanspruch umfasst. Wenn, z.B. im Zusammenhang mit gewerblichen Unternehmen, zwischen dem Erben und dem Pflichtteilsberechtigten eine Wettbewerbssituation besteht, kann der Anspruch nach § 242 BGB dahingehend eingeschränkt sein, dass nur einem zur Verschwiegenheit verpflichteten Prüfer die Einsicht in die Geschäftsbücher gewährt werden muss. Hingegen brauchen für die Wertermittlung eindeutig nicht relevante Daten gar nicht offenbart zu werden. Demzufolge sind bei einem nach § 2312 BGB zu bewertenden Landgut nur die für die Ertragswertermittlung relevanten Daten bzw. ein Gutachten über den Ertragswert vorzulegen. Darüber hinausgehende Angaben, die Rückschlüsse auf den Verkehrswert erlauben, werden nicht geschuldet. Keine Vorlagepflicht besteht auch hinsichtlich etwa vorhandener Wertgutachten, die der Erbe oder der Erblasser selbst eingeholt haben. Soweit der Bewertung ein zeitnah zum Erbfall erzielter Veräußerungspreis zugrunde zu legen ist, erstreckt sich der Wertermittlungsanspruch auf diejenigen Unterlagen, aus denen sich dieser Kaufpreis ergibt.
Rz. 49
Wenn die Mitteilung der wertbestimmenden Tatsachen allein noch kein hinlängliches Bild über den Wert als solchen vermittelt, kann der Pflichtteilsberechtigte die Anfertigung eines Sachverständigengutachtens auf Kosten des Nachlasses verlangen. In diesem Fall hat der Pflichtteilsberechtigte Anspruch auf Vorlage des Gutachtens selbst, nicht nur auf Mitteilung des Ergebnisses. Das Vorliegen eines Kaufpreises schließt den Anspruch auf Gutachtenerstellung nicht aus. Schließlich kann durchaus ein berechtigtes Interesse an der sachverständigen Überprüfung der Angemessenheit des Kaufpreises bestehen.
Rz. 50
Ein Recht, die gutachterliche Untersuchung selbst durchzuführen oder durchführen zu lassen, hat der Pflichtteilsberechtigte aber nicht. Der Erbe hat nicht nur die Pflicht, sondern auch das Recht, die Wertermittlung in eigener Verantwortung durchzuführen. Aus diesem Grunde steht auch die Auswahl des Sachverständigen im Ermessen des auskunftsverpflichteten Erben. Der Sachverständige bestimmt auch über die Auswahl der von ihm anzuwendenden Bewertungsmethode. Allerdings muss ein Gutachten die zugrundeliegende Datenbasis so ausführlich darstellen, dass dem Pflichtteilsberechtigten auch die alternative Bewertung anhand einer anderen Methode ermöglicht wird. Kommen verschiedene Bewertungsmethoden ernsthaft in Betracht, hat das Gutachten diese alternativ darzust...