Rz. 9
Der Entziehungsgrund muss in der letztwilligen Verfügung – also formgerecht – angegeben werden. Dazu ist es nicht erforderlich, alle Einzelumstände ausführlich darzulegen. Die Schilderung muss aber doch so ausführlich sein, dass nach dem Erbfall festgestellt werden kann, auf welchen Tatbestand/Lebenssachverhalt sich die Entziehung gründet und ob sie gerechtfertigt ist. Dafür ist es ausreichend, wenn der Erblasser den Sachverhaltskern so genau darstellt, dass ein Dritter, z.B. ein Richter, durch Auslegung ermitteln kann, auf welche Vorgänge er die Pflichtteilsentziehung stützt. Dafür kann es bereits genügen, eine konkrete strafrechtliche Verurteilung in Bezug zu nehmen. Begründungen, die zwar für den Erblasser und den betroffenen Pflichtteilsberechtigten, aber für sonst niemanden nachvollziehbar sind ("… der weiß schon, warum …"), reichen jedoch in keinem Fall aus. Die vollständige Angabe aller die Entziehung rechtfertigenden Umstände ist aber nicht erforderlich.Dieckmann weist in diesem Zusammenhang darauf hin, dass der Formzwang nicht nur die spätere Beweisbarkeit der Motivation des Erblassers sicherstellen solle, sondern darüber hinaus auch dem Zweck diene, den Erblasser zum überdachten und verantwortlichen Testieren anzuhalten.
Rz. 10
Die über das erforderliche Mindestmaß (Sachverhaltskern) hinausgehende Angabe weiterer Einzelheiten, die sich später als nicht beweisbar erweisen, ist unschädlich, soweit beweisbare Umstände die Pflichtteilsentziehung rechtfertigen.
Rz. 11
Nicht vollständig geklärt ist die Frage, ob die bloße Angabe des Gesetzeswortlauts bereits ausreichend sein kann. Für den Fall des § 2333 Nr. 5 BGB hatte das RG dies bejaht, da es weder dem Erblasser zuzumuten sei, Einzelheiten auszubreiten, noch für den Betroffenen nachteilig erscheine, wenn derartige Einzelheiten im Testament nicht ausdrücklich niedergelegt würden.
Rz. 12
Dieser Sichtweise ist aber nicht zuzustimmen. Über den Gesetzeswortlaut hinaus muss in jedem Fall der zugrunde liegende Lebenssachverhalt wenigstens stichwortartig dargelegt werden, so dass durch Auslegung festgestellt werden kann, weshalb konkret der Pflichtteil entzogen werden soll. Es muss daher auch angegeben werden, gegen wen sich welche Verfehlungen, Verbrechen oder Vergehen des Pflichtteilsberechtigten gerichtet haben. Die in diesem Zusammenhang erhobene Forderung des OLG Düsseldorf, der Erblasser, der eine Pflichtteilsentziehung mit einer Körperverletzung durch den Pflichtteilsberechtigten begründen wolle, müsse den gesamten zugrunde liegenden Geschehensablauf schildern, geht jedoch zu weit. Dasselbe gilt für das Petitum, der Erblasser habe in seiner letztwilligen Verfügung deutlich zu machen, auf welche konkreten Konkursverfahren bei verschiedenen Firmen er die entziehungsrelevante Pflichtverletzung habe stützen wollen. Die Anforderungen dürfen nicht so hoch geschraubt werden, dass eine Pflichtteilsentziehung – gerade beim privatschriftlichen Testament – im Regelfall an formalen Mängeln scheitern muss. Es sollte vielmehr genügen, wenn – wie oben ausgeführt – der konkrete Sachverhaltskern nachvollziehbar dargestellt wird, so dass – ggf. durch Auslegung – der vom Erblasser gemeinte Entziehungsgrund bestimmt und seine Rechtfertigung überprüft werden kann.
Rz. 13
Im Hinblick auf die formalen Anforderungen reicht die Angabe des Pflichtteilsentziehungsgrundes erst hinter der Unterschrift des eigenhändigen Testaments nicht aus. Die Niederlegung der Gründe muss durch die Unterschrift gedeckt sein. Kritisch ist insbesondere auch die Bezugnahme auf Aktennotizen o.Ä., die nicht den formalen Anforderungen an eine letztwillige Verfügung genügen. Dies gilt selbst dann, wenn die erwähnten Schriftstücke zum Zeitpunkt der Testamentserrichtung bereits vorliegen. Konsequenterweise kann auch die bloße Bezugnahme auf das einem Dritten gegenüber erklärte Geständnis des Pflichtteilsberechtigten nicht ausreichen, zumal die Überprüfung nur aufgrund eines entsprechenden Beweisverfahrens möglich wäre. Demzufolge soll auch der bloße Hinweis auf kriminalpolizeiliche Akten – jedenfalls ohne Angabe des Aktenzeichens oder einer anderen Kennzeichnung – der Konkretisierungspflicht nicht genügen. Soweit sich aber die Tat, derentwegen der Erblasser den Pflichtteil entziehen will, unzweifelhaft einer bestimmten Ermittlungsakte zuordnen lässt, sollte eine solche Bezugnahme ausreichen. Denn die sonst bei nicht den Formvorschriften entsprechenden Schriftstücken zu befürchtende Manipulationsgefahr besteht hier grundsätzlich nicht.
Rz. 14
Ein späterer (nach dem Erbfall erfolgender) Austausch der Entziehungsgründe ist ausgeschlossen. Daher kann ein im Testament benannter, gesetzlich aber nicht vorgesehener oder tatsächlich nicht bestehender Entziehungsgrund nicht durch andere, den gesetzlichen Anforderungen genügende und tatsächlich gegebene Gründe ersetzt werden. Dies gilt insbes...