Rz. 15
Gem. Abs. 2 S. 2 setzt eine wirksame Pflichtteilsentziehung, die auf § 2333 Abs. 1 Nr. 4 BGB gestützt wird, voraus, dass die Straftat zur Zeit der Errichtung der letztwilligen Verfügung bereits begangen ist und der Grund für die Unzumutbarkeit der Nachlassteilhabe des Pflichtteilsberechtigten vorliegt. Beides muss in der letztwilligen Verfügung angegeben werden.
Rz. 16
Positiv an dieser Regelung ist die Klarstellung, dass die Verurteilung wegen der Straftat zum Zeitpunkt der Testamentserrichtung noch nicht vorliegen muss, geschweige denn die Rechtskraft der Verurteilung. Schwierigkeiten bereitet allerdings die Forderung, dass neben Angaben über die begangene Tat auch die Gründe, die die Nachlassteilhabe des Pflichtteilsberechtigten für den Erblasser unzumutbar erscheinen lassen, darzulegen sind. Dies stellt eine nicht zu unterschätzende Verschärfung des Begründungszwanges dar. Denn vor der Erbrechtsreform 2010 brauchten subjektive Erwägungen des Erblassers in seiner Entziehungsverfügung nicht weiter ausgeführt werden. Der Gesetzgeber hält diese zusätzliche Anforderung jedoch nicht für ein unzumutbares Erschwernis, zumal sich der konkrete Umfang der Darlegung der für eine Unzumutbarkeit sprechenden Gründe nach den Umständen des Einzelfalls richte und auch von der Schwere der in Rede stehenden Tat abhänge. Je schwerer die Tat wiegt, desto eher ist demnach von einer Unzumutbarkeit auszugehen und desto geringer sind daher die Anforderungen an die Darlegung der Gründe der Unzumutbarkeit. So sei im Falle der Verurteilung des Pflichtteilsberechtigten wegen Mordes an einem Kind zu einer lebenslangen Freiheitsstrafe unter gleichzeitiger Feststellung der besonderen Schwere der Schuld die Vermutung der Unzumutbarkeit der Nachlassteilhabe für den Erblasser naheliegend. Daher müsse es regelmäßig ausreichen, wenn der Erblasser in seiner Verfügung von Todes wegen den Pflichtteil entzieht und als Begründung hierfür schlicht die Begehung der Straftat anführt. Kehrt man diese Argumentation um, so steht allerdings zu befürchten, dass bei weniger schwerwiegenden Straftaten sehr ausführliche Schilderungen des Erblassers erforderlich sein dürften, um die aus seiner Sicht bestehende Unzumutbarkeit der Nachlassteilhabe des Pflichtteilsberechtigten in einer den Vorgaben des Abs. 2 S. 2 genügenden Weise anzugeben und plausibel zu machen. Schlussendlich dürfen aber die Anforderungen an die Ausführung des Erblassers auch nicht überspannt werden. Rechtliche Abwägungen zum Fehlverhalten können sicherlich ebenso wenig verlangt werden wie eine umfassende Darstellung der persönlichen Wertvorstellungen. Dies gebietet nicht nur der Ansatz des Gesetzgebers, die Testierfreiheit stärken zu wollen, sondern vor allem auch eine verfassungskonforme Auslegung der Norm. Denn formelle Anforderungen, die das Pflichtteilsentziehungsrecht faktisch leerlaufen lassen, sind mit den Grundsätzen der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zur Pflichtteilsentziehung nicht zu vereinbaren. Dennoch lässt sich als Faustregel für den Erblasser festhalten: Je ausführlicher, desto besser.