1. Vorliegen des Entziehungsgrundes
Rz. 6
Der Grund, auf den der Erblasser die Pflichtteilsentziehung stützt, muss im Zeitpunkt der Errichtung der Verfügung von Todes wegen – schon – bestehen. Das ist dann der Fall, wenn der maßgebliche Lebenssachverhalt zu diesem Zeitpunkt noch gegeben ist oder bereits der Vergangenheit angehört. Einer fortgesetzten Verfehlung bedarf es grundsätzlich nicht. Soweit aber eine längere Zeit andauernde Verhaltensweise die Pflichtteilsentziehung rechtfertigen soll, kommt es entscheidend auf die bei zur Zeit der Errichtung der letztwilligen Verfügung bereits verwirklichten Teilakte an. Diese müssen – für sich genommen – einen einschlägigen Entziehungsgrund darstellen und auch in der letztwilligen Verfügung entsprechend ausgeführt werden.
Verfehlungen, die erst nach Testamentserrichtung begangen werden, scheiden grundsätzlich aus. Das gilt auch dann, wenn der Erblasser mit einer Fortsetzung eines bereits begonnen Verhaltens(musters) rechnet. Zulässig ist aber eine Entziehung, die nur für den Fall gelten soll, dass ein bestimmter Sachverhalt, über dessen Bestehen der Erblasser sich nicht eindeutig im Klaren ist, im Zeitpunkt der Testamentserrichtung tatsächlich erfüllt ist. Eine später eintretende Besserung des Verhaltens des Pflichtteilsberechtigten konnte sich früher (vor der Erbrechtsreform 2010) im Rahmen einer Entziehung nach § 2333 Nr. 5 BGB a.F. (sozusagen automatisch) auswirken, nach aktuellem Recht spielt dies indes keine Rolle mehr. In Betracht kommt aber nach wie vor eine Verzeihung nach § 2337 BGB.
Rz. 7
Bildet eine Verfehlung gegen den Ehegatten des Erblassers den Grund der Pflichtteilsentziehung, ist es unschädlich, wenn die Ehe zur Zeit der Testamentserrichtung nicht mehr besteht. Gleiches gilt im Falle der eingetragenen Lebenspartnerschaft.
Rz. 8
Soweit es um eine Pflichtteilsentziehung nach § 2333 Abs. 1 Nr. 4 BGB geht, genügt es gem. Abs. 2 S. 2, dass die Straftat zum Zeitpunkt der Testamentserrichtung begangen ist. Die rechtskräftige Verurteilung muss aber noch nicht vorliegen.
2. Angabe des Entziehungsgrundes
Rz. 9
Der Entziehungsgrund muss in der letztwilligen Verfügung – also formgerecht – angegeben werden. Dazu ist es nicht erforderlich, alle Einzelumstände ausführlich darzulegen. Die Schilderung muss aber doch so ausführlich sein, dass nach dem Erbfall festgestellt werden kann, auf welchen Tatbestand/Lebenssachverhalt sich die Entziehung gründet und ob sie gerechtfertigt ist. Dafür ist es ausreichend, wenn der Erblasser den Sachverhaltskern so genau darstellt, dass ein Dritter, z.B. ein Richter, durch Auslegung ermitteln kann, auf welche Vorgänge er die Pflichtteilsentziehung stützt. Dafür kann es bereits genügen, eine konkrete strafrechtliche Verurteilung in Bezug zu nehmen. Begründungen, die zwar für den Erblasser und den betroffenen Pflichtteilsberechtigten, aber für sonst niemanden nachvollziehbar sind ("… der weiß schon, warum …"), reichen jedoch in keinem Fall aus. Die vollständige Angabe aller die Entziehung rechtfertigenden Umstände ist aber nicht erforderlich.Dieckmann weist in diesem Zusammenhang darauf hin, dass der Formzwang nicht nur die spätere Beweisbarkeit der Motivation des Erblassers sicherstellen solle, sondern darüber hinaus auch dem Zweck diene, den Erblasser zum überdachten und verantwortlichen Testieren anzuhalten.
Rz. 10
Die über das erforderliche Mindestmaß (Sachverhaltskern) hinausgehende Angabe weiterer Einzelheiten, die sich später als nicht beweisbar erweisen, ist unschädlich, soweit beweisbare Umstände die Pflichtteilsentziehung rechtfertigen.
Rz. 11
Nicht vollständig geklärt ist die Frage, ob die bloße Angabe des Gesetzeswortlauts bereits ausreichend sein kann. Für den Fall des § 2333 Nr. 5 BGB hatte das RG dies bejaht, da es weder dem Erblasser zuzumuten sei, Einzelheiten auszubreiten, noch für den Betroffenen nachteilig erscheine, wenn derartige Einzelheiten im Testament nicht ausdrücklich niedergelegt würden.
Rz. 12
Dieser Sichtweise ist aber nicht zuzustimmen. Über den Gesetzeswortlaut hinaus muss in jedem Fall der zug...