Verfahrensgang

LG Kleve (Aktenzeichen 1 O 38/18)

 

Tenor

Die Berufung des Beklagten gegen das Teilurteil der 1. Zivilkammer des Landgerichts Kleve vom 13.02.2019 wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Berufungsverfahrens werden dem Beklagten auferlegt.

Dieses und das angefochtene Urteil sind vorläufig vollstreckbar.

 

Gründe

I. Die Parteien sind die einzigen gesetzlich erbberechtigten Abkömmlinge ihres Großvaters, des am 11.05.2016 verstorbenen G.

Dieser hatte in Anwesenheit eines Freundes am 28.12.2014 ein handschriftliches Testament mit folgendem Inhalt errichtet:

Mein letzter Wille!

Hiermit widerrufe ich alle meine bisherigen Verfügungen.

Mein Enkel E soll allein mein verbliebenes Vermögen erben. Land, Hofstelle, ..., Bar- und Sparvermögen.

Mein Enkel F geboren 10.04.1977 hat seinen gesamten Erbteil bereits genommen. Meine Spareinlagen bei der ... ca. mindestens 65.000 EUR.

E übernimmt die Vollmacht für meine ... Belange.

Dies ist meine freie Entscheidung

Als Nachlassverwalter bestimme ich

Herrn A als Nachlassverwalter

Das Amtsgericht Kleve - 17 VI 439/16 - erteilte dem Beklagten am 05.07.2017 einen Erbschein als Alleinerbe. Der Kläger macht im Wege der Stufenklage Pflichtteilsansprüche geltend.

Der Beklagte hat die Auffassung vertreten, dem Kläger sei durch die testamentarische Verfügung des Erblassers der Pflichtteil entzogen worden. Hintergrund sei, dass der Kläger das vom Erblasser bei der Sparkasse L unterhaltene Wertpapierdepot, das zum 31.12.2007 einen Wert von 69.618,48 EUR aufgewiesen habe, aufgelöst und mit dem daraus erzielten Erlös sich ein Depot bei der X eingerichtet habe.

Wegen der Einzelheiten des Sachverhalts und der erstinstanzlich gestellten Anträge wird gemäß § 540 Abs. 1 ZPO auf das angefochtene Teilurteil Bezug genommen.

Durch dieses hat das Landgericht den Beklagten zur Auskunft über den Nachlassbestand durch Vorlage eines Bestandsverzeichnisses und zur Erstellung eines Wertermittlungsgutachtens für das Grundstück T sowie die landwirtschaftlichen Flächen bezogen auf den Stichtag 11.05.2016 verurteilt.

Zur Begründung hat es ausgeführt, dass der Kläger als Pflichtteilsberechtigter vom Beklagten die geforderten Auskünfte gemäß § 2314 Abs. 1 BGB verlangen könne. Dem Kläger sei der Pflichtteil nicht wirksam entzogen worden. Es sei weder eine ausdrückliche Entziehung des Pflichtteils noch eine schriftliche Angabe eines Entzugsgrundes im Sinne der §§ 2333, 2336 BGB im Testament des Erblassers erfolgt.

Hiergegen richtet sich die Berufung des Beklagten, mit der er weiterhin eine Abweisung der Stufenklage begehrt.

Das Landgericht habe zu Unrecht eine wirksame Pflichtteilsentziehung verneint. Die Formulierung, der Kläger habe seinen gesamten Teil "bereits genommen", besage eindeutig, dass sich der Kläger ohne die Zustimmung des Erblassers dessen Vermögenswerte in einer Größenordnung von gut 65.000 EUR einverleibt habe. Dem Großvater sei bekannt gewesen, dass es bei unmittelbaren Abkömmlingen die Pflichtteilsregelung gebe, die nur aus bestimmten schwerwiegenden Gründen auszuschließen sei. Der Erblasser habe ausschließen wollen, dass der Kläger auch nur irgendeinen Euro erhalten würde. Dass ein die Pflichtteilsentziehung rechtfertigender Grund bestanden habe, sei in erster Instanz unstreitig geblieben. Damit seien auch die sachlichen Voraussetzungen des § 2333 BGB erfüllt. Das OLG Stuttgart (Beschluss vom 24.01.2019 - 19 U 80/18 -) habe in einem ähnlichen Fall bei einem Diebstahl im Wert von knapp 7.000,- EUR den Tatbestand des § 2333 Abs. 1 Nr. 2 BGB als erfüllt angesehen.

Des Weiteren überreicht der Beklagte das von ihm zwischenzeitlich eingeholte Wertermittlungsgutachten des Sachverständigen Dipl.-Ing. U vom 05.07.2019 und beruft sich gegenüber den Auskunftsansprüchen des Klägers auf ein Zurückbehaltungsrecht, weil der Kläger die Herausgabe von Kontounterlagen und eine ordnungsgemäße Auskunftserteilung zum Verbleib des Depotbesitzes des Großvaters schulde.

Der Beklagte beantragt,

1. unter Abänderung des Teilurteils des Landgerichts Kleve vom 13.02.2019 die Klage abzuweisen;

2. hilfsweise

das angefochtene Teilurteil des Landgerichts Kleve vom 13.02.2019 aufzuheben und den Rechtsstreit zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landgericht Kleve zurückzuverweisen.

Der Kläger beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Der Kläger verteidigt das zu seinen Gunsten ergangene Teilurteil und wiederholt und vertieft sein erstinstanzliches Vorbringen.

Da es bereits an einer Erklärung des Erblassers, dem Kläger den Pflichtteil entziehen zu wollen, fehle, komme es auf die Prüfung eines die Entziehung rechtfertigenden Grundes nicht an, weshalb der Kläger hierzu auch in erster Instanz nicht weiter Stellung genommen habe, den er aber bestreite. Die vom Beklagten in der Berufungsbegründung zitierte Entscheidung des Oberlandesgerichts Stuttgart sei mit dem vorliegenden Fall nicht vergleichbar.

Der titulierte Anspruch auf Einholung eines Wertermittlungsgutachtens sei, auch soweit der Beklagte das Gutachten schließlich vollständig vorgelegt h...

Dieser Inhalt ist unter anderem im Deutsches Anwalt Office Premium enthalten. Sie wollen mehr?