Rz. 16
Von Abs. 1 Nr. 2 werden zunächst die Fälle erfasst, bei denen der Erblasser an der Errichtung einer letztwilligen Verfügung gehindert wurde. Wird der Erblasser bei einer wirksamen Verfügung auf bestimmte Art und Weise beeinflusst, kann dagegen Abs. 1 Nr. 3 einschlägig sein. Eine Hinderung im Sinne des Abs. 1 Nr. 2 kann aber auch vorliegen, wenn der Erblasser eine letztwillige Verfügung nicht vollständig errichten konnte, denn jede einzelne Anordnung ist eine "Verfügung".
Rz. 17
Der Erblasser muss die Verfügung von Todes wegen konkret beabsichtigt haben. Die Hinderung kann durch Gewalt, Täuschung oder Drohung erfolgen sowie durch Ausnutzung der Willensschwäche oder einer Zwangslage des Erblassers. Dem Wortlaut entsprechend ("verhindert hat") reicht eine nur versuchte oder vorübergehende Verhinderung nicht. Es kommt dann eine Pflichtteilsentziehung in Betracht.
Rz. 18
Der Aufhebung steht die Verhinderung eines Widerrufs durch Zerstörung der Urkunde durch den Erblasser (§ 2255 BGB) oder durch Zurücknahme aus der amtlichen Verwahrung (§ 2256 BGB) gleich. Entsprechend ist zu behandeln, wer dem Erblasser vortäuscht, die Vernichtung der Erbverzichtsurkunde sei entgegen §§ 2348, 2351 BGB eine wirksame Aufhebung des Erbverzichtsvertrages, wenn der Erblasser deshalb keine neue letztwillige Verfügung errichtet.
Rz. 19
Die Bestimmung betrifft auch die Fälle, in denen der Täter nicht die Errichtung oder Aufhebung einer Verfügung überhaupt, sondern nur deren Wirksamkeit verhindert, indem er den Erblasser über Formvorschriften täuscht. Fiele dieses Verhalten nicht unter Abs. 1 Nr. 2, würde zu Unrecht das größere Geschick bei der Verhinderung einer letztwilligen Verfügung belohnt. Aus demselben Grund ist die Vorschrift auch anzuwenden, wenn der Erblasser lediglich gehindert wird, seiner letztwilligen Verfügung einen bestimmten Inhalt zu geben. Häufig wird allerdings in solchen Fällen auch Abs. 1 Nr. 3 eingreifen.
Rz. 20
Die Handlung des Erbunwürdigen muss für die Verhinderung kausal gewesen sein. Daher liegen die Voraussetzungen nicht vor, wenn die konkret beabsichtigte Verfügung aus anderen Gründen nicht erfolgt wäre, etwa wegen der fehlenden Bereitschaft des avisierten Vertragspartners zum Abschluss eines Erbvertrages. Anders als bei Abs. 1 Nr. 3 und 4 ist der Täter auch erbunwürdig, wenn die vom Erblasser beabsichtigte Verfügung (z.B. wegen der Bindung eines gemeinschaftlichen Testaments oder eines Erbvertrages) unwirksam wäre, weil Abs. 1 Nr. 2 nicht in Abs. 2 genannt wird.
Rz. 21
Vorsatz und Widerrechtlichkeit sind wie bei § 123 BGB zu beurteilen. In den Fällen der Verhinderung durch positives Tun ist die Widerrechtlichkeit indiziert. Bei der Begehung durch Unterlassen, insbesondere der fehlenden Aufklärung des Erblassers über die Formnichtigkeit einer letztwilligen Verfügung, muss den Täter stets eine Rechtspflicht treffen. Anderenfalls handelt dieser nicht widerrechtlich, bspw. wenn er nur rein zufällig von der Verfügung Kenntnis nimmt und nicht ganz besondere Umstände eine Handlungspflicht begründen. Wurde der Erblasser nur an der beabsichtigten Form der Verfügung gehindert, etwa durch die Weigerung, einen Notar zu verständigen, bedarf es auch hier einer Handlungspflicht, um das Tatbestandsmerkmal der Widerrechtlichkeit zu erfüllen. Führt der mit der Vernichtung des Testaments Beauftragte den Auftrag heimlich nicht aus, ist dies als Verhinderung der Aufhebung einer letztwilligen Verfügung nur dann anzusehen, wenn eine Offenbarungspflicht bestand. Eine solche Handlungspflicht könnte grundsätzlich bei einem Betreuer gem. § 1896 BGB bestehen. Wenn dann mit der h.M. auch die Hinderung der Errichtung eines wegen Testierunfähigkeit unwirksamen Testaments als Fall des Abs. 1 Nr. 2 gelten soll, käme ein ehrenamtlicher, verwandter und erbberechtigter Betreuer bei einem entsprechenden Wunsch des Betreuten in Bedrängnis. Es wird dann abzuwägen sein, ob die Handlungspflicht beim Betreuer wirklich bestand. Ein Vertrag, durch den der Erblasser sich in seiner Testierfreiheit in bestimmter Art und Weise einschränkt, ist gem. § 2302 BGB nichtig und auch rechtswidrig. Wenn der Erblasser aufgrund eines solchen Vertrages eine letztwillige Verfügung nicht errichtet oder widerruft, ist er dafür kausal gewesen. Allerdings muss der Vertragspartner hinsichtlich der Widerrechtlichkeit auch vorsätzlich gehandelt haben.