Rz. 2
Die Unrichtigkeit des Erbscheins kann zeitlich in zwei Phasen vorliegen. Ursprüngliche Unrichtigkeit liegt vor, wenn bei Erteilung des Erbscheins dieser bereits unrichtig war. Nachträgliche Unrichtigkeit tritt ein, wenn die für die Erteilung des Erbscheins erforderlichen Voraussetzungen zu einem späteren Zeitpunkt – nach der zunächst richtigen Erteilung – nicht mehr gegeben sind. Letzterer Fall kann bspw. gegeben sein, wenn ein bisher nicht ermittelter Erbe plötzlich auftaucht oder ein bisher unbekanntes Testament das bisher festgestellte Erbrecht verändert.
Rz. 3
Zu unterscheiden sind die inhaltliche und die formelle Unrichtigkeit. Inhaltliche Unrichtigkeit ist gegeben, wenn das Erbrecht, das durch den Erbschein dokumentiert wird, unrichtig ist. Dies kann z.B. die falsche Angabe der Quote eines Erbteils sein, die unrichtige Angabe eines Erben, das Fehlen des Nacherbenvermerks oder dessen unrichtige Angabe. Auch die unrichtige Angabe eines Erbstatuts im Erbschein stellt eine inhaltliche Unrichtigkeit dar, wenn z.B. statt einem beschränkten Erbschein nach § 352c FamFG (früher § 2369 BGB) ein unbeschränkter Erbschein erteilt wurde (siehe dazu § 2353 Rdn 11). Falsche Angaben über das Bestehen oder Nichtbestehen einer Testamentsvollstreckung in Form eines nicht vorhandenen, unzulässigerweise vorhandenen oder fehlerhaften Testamentsvollstreckervermerks berechtigen ebenfalls zur Einziehung. Eine später eingetretene inhaltliche Unrichtigkeit berechtigt das Nachlassgericht ebenfalls zur Einziehung.
Rz. 4
Formelle Unrichtigkeit ist gegeben, wenn durch das Nachlassgericht im Erbscheinsverfahren Fehler begangen wurden. Der Erbschein ist dann trotz ggf. vorliegender materieller Richtigkeit einzuziehen. Dies ist zwar nicht durch § 2361 BGB für den Fall der formellen Unrichtigkeit vorgesehen, jedoch wenden die h.M. und die Rspr. für diesen Fall der formellen Unrichtigkeit § 2361 BGB analog an, so dass der formell unrichtige Erbschein einzuziehen ist nach § 353 FamFG. Als formeller Fehler kommt insbesondere die Erteilung eines Erbscheins durch ein unzuständiges Gericht in Betracht, wobei der BGH dies dahingehend eingeschränkt hat, dass dies nur gelten soll, sofern sich die örtliche Zuständigkeit aus einer eindeutigen Vorschrift ergab (vgl. § 2353 Rdn 18). Ein Erbschein, der ohne entsprechenden Antrag erteilt wird, ist als unrichtig einzuziehen, da die formellen Voraussetzungen vom Nachlassgericht nicht beachtet wurden. Der Erbschein ist aber genehmigungsfähig durch den Erben, so dass dann die Voraussetzungen der Einziehung entfallen würden bei entsprechender Genehmigung durch den Erben. Die Nichtgewährung des rechtlichen Gehörs stellt keinen Verfahrensmangel dar, der zu einer Unrichtigkeit des Erbscheins führen würde.
Rz. 5
Wird ein Erbschein durch einen Rechtspfleger erteilt, obgleich ein Richter dazu verpflichtet gewesen wäre, weil ein Beteiligter das Vorliegen eines Testaments behauptet, so ist der Erbschein nicht unrichtig.