Gesetzestext
Es wird vermutet, dass demjenigen, welcher in dem Erbschein als Erbe bezeichnet ist, das in dem Erbschein angegebene Erbrecht zustehe und dass er nicht durch andere als die angegebenen Anordnungen beschränkt sei.
A. Rechtsvermutung
Rz. 1
Der erteilte Erbschein erzeugt die Rechtsvermutung, dass das ausgewiesene Erbrecht richtig ist, sowohl hinsichtlich des ausgewiesenen Erben als auch bzgl. der ausgewiesenen Größe des Erbteils. Ebenfalls wird dadurch die Rechtsvermutung bezeugt, dass keine weiteren Beschränkungen des Erben bestehen als die in dem Erbschein ausgewiesenen. Str. ist, ob die Rechtsvermutung auch so weit geht, dass die angegebenen Beschränkungen positiv bestehen. Mit der h.L. ist davon auszugehen, dass eine Rechtsvermutung nicht dahin geht, dass das Fortbestehen der in dem Erbschein aufgeführten Beschränkungen des Erben tatsächlich gegeben ist. Die Rechtsvermutung erstreckt sich unter keinen Umständen auf im Erbschein unzulässige Angaben, wie z.B. den Vermerk, dass eine Nachlassverwaltung oder eine Nachlassinsolvenz besteht oder dass der Erbe mit einem Vermächtnis oder einer Auflage belastet ist. Sobald die Einziehung durch das Nachlassgericht erfolgt ist, der Erbschein für kraftlos erklärt oder der Erbschein an das Nachlassgericht herausgegeben wurde, § 2362 BGB, entfällt die Rechtsvermutung des § 2365 BGB.
B. Beweiskraft
Rz. 2
Der Umfang der Beweiskraft des Erbscheins ist umstritten. Zwar stellt das Nachlassgericht durch die Ausstellung des Erbscheins gerade ausdrücklich amtlich fest, dass der in dem Erbschein aufgeführte Erbe Rechtsnachfolger des Erblassers geworden ist, mit oder ohne Beschränkungen, jedoch ist im Erbprozess der Erbschein kein ausreichendes Beweismittel zum Nachweis des geltend gemachten Erbrechts. Macht ein Erbpätendent in einem Zivilverfahren seinen erbrechtlichen Anspruch geltend, ist das Prozessgericht nicht an die Entscheidung des Nachlassgerichts gebunden. Deshalb kann derjenige, der gegen einen anderen Erbprätendenten, dem bereits ein Erbschein erteilt wurde, sämtliche Beweismittel, die auch schon dem Nachlassgericht vorgelegt wurden, erneut in den Zivilprozess als zulässige Beweismittel einführen. Es gelten die allg. Beweisregeln des Zivilprozessrechts. Der Beweis der gegenteiligen Rechtslage und somit der Rechtsvermutung nach § 2365 BGB kann durch den Beweis des Gegenteils nach § 292 ZPO erfolgen. Der Ansicht ist Recht zu geben, wonach unabhängig von der Parteirolle § 2365 BGB im Zivilprozess über das Erbrecht keine Anwendung findet und insofern grds. auch keine Beweislastverteilung durch § 2365 BGB gegeben ist. Liegen mehrere sich widersprechende Erbscheine für denselben Erbfall vor, was häufiger in der Praxis der Fall ist, wenn sich mehrere Gerichte für den Erbfall für zuständig erachten, so ist zu fragen, wie weit die Rechtsvermutung des § 2365 BGB für den einzelnen Erbschein reicht. Weisen bspw. zwei Erbscheine dasselbe Erbrecht aus, so darf für beide die Rechtsvermutung des § 2365 BGB vollständig angenommen werden. Sind jedoch verschiedene Erbscheine für denselben Erbfall inhaltlich widersprüchlich, so ist die Rechtsvermutung nach der h.M., der zuzustimmen ist, zumindest hinsichtlich der Reichweite der Widersprüche nicht gegeben. Die Rechtsvermutung des § 2365 BGB gilt auch insoweit für das Grundbuchamt und das Handelsregister. Zu den sonstigen Nachweisen des Erbrechts vgl. Vorbem. zu §§ 2353 ff. Rdn 7.