Gesetzestext
Erwirbt jemand von demjenigen, welcher in einem Erbschein als Erbe bezeichnet ist, durch Rechtsgeschäft einen Erbschaftsgegenstand, ein Recht an einem solchen Gegenstand oder die Befreiung von einem zur Erbschaft gehörenden Recht, so gilt zu seinen Gunsten der Inhalt des Erbscheins, soweit die Vermutung des § 2365 reicht, als richtig, es sei denn, dass er die Unrichtigkeit kennt oder weiß, dass das Nachlassgericht die Rückgabe des Erbscheins wegen Unrichtigkeit verlangt hat.
A. Allgemeines
Rz. 1
§ 2366 BGB dient dem Schutz des Rechtsverkehrs. Der gutgläubige Erwerber, der auf das durch den Erbschein ausgewiesene Erbrecht vertraut, soll geschützt werden. Es soll also derjenige Dritte geschützt werden, der durch ein Rechtsgeschäft mit dem Erbscheinserben von diesem etwas erwirbt, wobei das entgeltliche dem unentgeltlichen Rechtsgeschäft gleichsteht. Nicht erfasst von der Schutzwirkung des § 2366 BGB werden Erwerbe im Wege der Zwangsvollstreckung.
B. Reichweite des öffentlichen Glaubens
Rz. 2
Der öffentliche Glaube ist nur für den tatsächlich erteilten und in Kraft befindlichen Erbschein gegeben. Wurde der Erbschein eingezogen oder für kraftlos erklärt, genießt er keinen öffentlichen Glauben mehr. Nach Hs. 2 ist der redliche Erwerb bereits ausgeschlossen, sofern der Dritte Kenntnis von der Unrichtigkeit, also einer Einziehungsvoraussetzung des Erbscheins, hat. Der redliche Erwerber muss auch nicht Zweifel hegen bzgl. der Richtigkeit des Erbscheins, es trifft ihn also keine Aufklärungspflicht. Lediglich wenn er tatsächlich Kenntnis hat von der Unrichtigkeit, der Kraftloserklärung oder der Einziehung, entfällt der öffentliche Glaube. Dieser Schutz ist für den redlichen Erwerber laut h.M. unabhängig davon gegeben, ob er sich den Erbschein hat vorlegen lassen, und sogar für den Fall, dass er überhaupt keine Kenntnis vom Erbschein hatte beim Erwerb vom Erbscheinserben.
C. Erbschaftsgegenstand
Rz. 3
Der Begriff des Erbschaftsgegenstandes ist weit gefasst; er bezieht sich sowohl auf das bewegliche als auch auf das unbewegliche Vermögen, insbesondere auch auf Forderungen und Mitgliedschaftsrechte. Bei dem Erwerb eines Grundstückes ist danach zu differenzieren, ob der Erbscheinserbe bereits im Grundbuch eingetragen war; dann gelangen für den Erwerber ausschließlich die Vorschriften der §§ 891 ff. BGB zur Anwendung, der Erwerber kann sich also auf § 891 BGB berufen, denn er durfte von der Richtigkeit des Grundbuchs ausgehen. War hingegen der Erbscheinserbe noch nicht im Grundbuch eingetragen, kommt § 2366 BGB neben § 891 BGB zur Anwendung. Der gute Glaube der §§ 891 und 2366 BGB gelangt dann aber nicht zur Anwendung, sofern im Grundbuch ein Widerspruch eingetragen ist. Dies ist unabhängig davon, ob der Widerspruch gegen den Erben oder bereits gegen den Erblasser eingetragen war bzw. dessen Rechtsinhaberschaft. Die Erstreckung des guten Glaubens nach § 2366 BGB ist hinsichtlich beweglicher Sachen weiter zu fassen als bei den §§ 932 ff. BGB. Der Erwerber handelt nur dann nicht im guten Glauben, wenn er von der Unrichtigkeit des Erbscheins oder von der Einziehung Kenntnis hatte. Erwirbt der Dritte eine Sache, die nicht im Eigentum des Erblassers stand, so erwirbt er nur dann gutgläubig, wenn sich sein guter Glaube auch auf die Eigentumszugehörigkeit bezogen hat. Ist der Erblasser aber bereits auch Nichtberechtigter gewesen, so kommt ein gutgläubiger Erwerb nicht allein auf der Basis des § 2366 BGB zustande; vielmehr müssen auch die sonstigen Voraussetzungen der §§ 932 ff. BGB gegeben sein, denn ansonsten wäre der Erwerber nach § 2366 BGB besser gestellt.
D. Ansprüche des wirklichen Erben
Rz. 4
Es stellt sich die Frage, welche Ansprüche der wirkliche Erbe für den Fall von wirksamen Verfügungen über Nachlassgegenstände durch den vermeintlichen Erbscheinserben hat. Aufgrund der §§ 2365, 2366 BGB ist der redliche Erwerber geschützt. Der Anspruch des wirklichen Erben kann sich folglich nur gegen den verfügenden Erbscheinserben richten. § 2019 BGB ist entsprechend heranzuziehen, um vom Erbscheinserben dasjenige herausfordern zu können, was dieser bei einem entgeltlichen Erwerb oder als Surrogat erlangt hat. Hat der Erbscheinserbe unentgeltlich verfügt, so ist § 816 Abs. 1 S. 1 BGB anwendbar. Auch Ansprüche des wirklichen Erben aus §§ 822, 823 ff. BGB können in Frage kommen gegenüber dem Erbscheinserben.