Rz. 106
Bei der Schenkung im Zusammenhang mit dem Vollzug einer vom Schenker angeordneten Auflage gilt: Gegeben sind grds. zwei Schenkungen:
1. Schritt: Schenkung durch den Schenker an den Auflagenbeschwerten und
2. Schritt: Schenkung infolge der Weitergabe durch den Auflagenbeschwerten an den Auflagenbegünstigten in Vollziehung der Auflage.
Rz. 107
§ 7 Abs. 1 Nr. 2 ErbStG knüpft an den zweiten Schritt an und erfasst die Bereicherung, die beim Auflagenbegünstigten infolge des Vollzugs der Auflage entsteht. Bei der ersten Schenkung handelt es sich dagegen regelmäßig um eine freigebige Zuwendung i.S.v. § 7 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG.
Rz. 108
Begünstigter aus der Auflage muss ein von dem Beschenkten verschiedener Dritter sein. Ist ein unbestimmter Personenkreis begünstigt, liegt eine Zweckzuwendung i.S.v. § 8 ErbStG vor (siehe § 8 ErbStG Rdn 2). § 7 Abs. 1 Nr. 2 ErbStG greift dann nicht ein; die Besteuerung erfolgt nach den Sonderregelungen für Zweckzuwendungen. Ist Auflagenbegünstigter zugleich der Beschenkte, gilt § 10 Abs. 9 ErbStG (siehe § 10 Abs. 9 ErbStG Rdn 72).
Rz. 109
Abzugrenzen ist die Besteuerung des Auflagenbegünstigten nach § 7 Abs. 1 Nr. 2 ErbStG von einer unmittelbaren freigebigen Zuwendung an ihn, die unter § 7 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG fällt. Erwirbt der Auflagenbegünstigte durch den Vertrag zugunsten Dritter unmittelbar ein eigenes Forderungsrecht, wird ihm diese Forderung im Wege der freigebigen Zuwendung gemäß § 7 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG übertragen und nicht erst der Gegenstand, den er in Vollziehung der Auflage erwirbt. Diese Forderungsübertragung erfolgt im Verhältnis des Schenkers zum Auflagenbegünstigten, so dass der Besteuerung dieses Verwandtschaftsverhältnis – und nicht das Verhältnis zum Auflagenbelasteten – zugrunde zu legen ist. Besteuerungszeitpunkt ist insoweit die Begründung des Forderungsrechts, § 9 Abs. 1 Nr. 2 ErbStG. Eine Mitwirkungshandlung des Begünstigten ist nicht erforderlich. Auf die Erfüllung der Forderung kommt es nicht an. Hat dagegen nur der Schenker gem. § 525 BGB gegenüber dem Auflagenbeschwerten einen Anspruch auf Vollzug der Auflage, kann also der Auflagenbegünstigte die Vollziehung der Auflage nicht selbstständig durchsetzen, greift § 7 Abs. 1 Nr. 2 ErbStG ein. Die Besteuerung erfolgt in diesem Fall erst mit tatsächlicher Vollziehung der Auflage und richtet sich ebenfalls nach dem Verhältnis des Schenkers zu dem Auflagenbegünstigten. Auf die Verwandtschaftsverhältnisse zwischen dem Auflagenbegünstigten und dem Auflagenverpflichteten kommt es nicht an.
Rz. 110
Der Vollzug der Auflage, der den Besteuerungszeitpunkt kennzeichnet, kann bereits mit dem Einsetzen von Zinszahlungen beginnen. Ausreichend ist auch, wenn der Schenker seinen Anspruch auf Erfüllung der Auflage an den Auflagenbegünstigten abtritt (§ 399 BGB). Der Auflagenbegünstigte erwirbt in diesem Moment aufgrund der Forderungsabtretung unmittelbar ein eigenes Forderungsrecht gegen den Auflagenbeschwerten, so dass das Vollzugsmerkmal erfüllt ist. Der Vollzug der Auflage, der zu einer Besteuerung beim Auflagenbegünstigten führt, erfolgt regelmäßig zeitlich später als die schenkweise Begünstigung des Auflagenbeschwerten. Dieser kann die Auflage aber unmittelbar von seiner Bereicherung in Abzug bringen (§ 10 Abs. 4 ErbStG). Durch das zeitliche Auseinanderfallen des bereicherungsmindernden Abzuges beim Auflagenbeschwerten und der Besteuerung beim Auflagenbegünstigten erst mit Auflagenvollzug können im Einzelfall Gestaltungsspielräume entstehen.
Rz. 111
Die entscheidende Frage, ob der Auflagenbegünstigte ein eigenes Forderungsrecht i.S.v. § 7 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG erwirbt, ist in der Regel – unter Bezugnahme auf § 330 S. 2 BGB – zu bejahen. Es müssen daher, wenn eine ausdrückliche Regelung fehlt, besondere Umstände vorliegen, die den Schluss rechtfertigen, dass der Begünstigte gerade kein eigenes Forderungsrecht erhalten soll. Denn nur in diesem Fall erfolgt eine Besteuerung erst mit tatsächlichem Vollzug der Auflage.
Beispiel
Die Oma O schenkt ihre wertvolle Immobilie ihrem Sohn S. Gleichzeitig verpflichtet sie den S, an seinen Bruder B als Ausgleich einen Geldbetrag in Höhe von 200.000 EUR zu zahlen.
Wird in dem Übergabevertrag ausdrücklich angeordnet, dass B keinen eigenen Zahlungsanspruch gegen S erwerben soll, greift § 7 Abs. 1 Nr. 2 ErbStG für B mangels eigenen Forderungsrechts ein. Bestimmt O vertraglich ausdrücklich ein eigenes Forderungsrecht des B, greift § 7 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG ein. Gleiches gilt, wenn in dem Vertrag nichts zu diesem Punkt gesagt wird. Denn über die Zweifelsregelung des § 330 S. 2 BGB handelt es sich bei einer Auflagenzahlung mit Abfindungscharakter um ein eigenes Forderungsrecht des B.
Rz. 112
Steht dagegen das eigene Forderungsrecht bei einem Vertrag zugunsten Dritter unter einer aufschiebenden Bedingung, z.B. dem Tod der zunächst begünstigten Schwester, entsteht die Schenkungsteuer auch im Falle des § 7 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG erst mit Eintritt der aufschiebenden Bedingung und n...