Rz. 40
Bei Schenkungen unter Lebenden entsteht die Steuer gem. § 9 Abs. 1 Nr. 2 ErbStG mit dem Zeitpunkt (Tag) der Ausführung der Zuwendung. Eine eigenständige Regelung der Steuerentstehung bei Schenkungen unter Lebenden in § 9 Abs. 1 Nr. 2 ErbStG ist erforderlich, weil die Steuerentstehung anders als regelmäßig beim Erwerb von Todes wegen nicht an den Tod des bisherigen Vermögensinhabers anknüpfen kann, sondern an vielerlei disponierbare Zeitpunkte. Eine Schenkung ist ausgeführt, wenn der Bedachte das erhalten hat, was ihm nach der Schenkungsabrede verschafft werden soll, und letztlich dann, wenn der Beschenkte über den Zuwendungsgegenstand rechtlich und/oder tatsächlich verfügen kann. Grds. ist das der Zeitpunkt, an dem die Vermögensverschiebung auf den Bedachten stattgefunden hat, in der Regel der Zeitpunkt, an dem das Eigentum an dem Zuwendungsgegenstand übergegangen ist. Das gilt auch, wenn das schuldrechtliche Geschäft unwirksam war, die Beteiligten die Vermögensverschiebung aber bestehen lassen. Letztlich ist im Zweifel das Finanzamt für den Zeitpunkt der Ausführung der Schenkung beweispflichtig.
Rz. 41
Die Frage, ob ein Empfänger im Innenverhältnis über die ihm übertragenen Vermögenswerte endgültig tatsächlich und rechtlich frei verfügen konnte, hängt von den zwischen den Beteiligten getroffenen Vereinbarungen ab. Sind ausdrückliche Vereinbarungen nicht getroffen worden, muss aus der Handhabung der Beteiligten und den sonstigen objektiven Umständen geschlossen werden, ob der Empfänger nach einem stillschweigenden Konsens über das ihm Zugewendete tatsächlich und rechtlich frei verfügen konnte oder ob die Vermögenswerte im Innenverhältnis weiterhin dem Übergeber zustehen sollten. Werden Vermögenswerte übertragen, um sie dem Zugriff eines Dritten zu entziehen, kann dies treuhänderisch oder scheinbar erfolgen. Durch Scheingeschäfte (§ 117 Abs. 1 BGB, § 41 Abs. 2 AO) werden ebenso wie durch verdeckte Treuhandverhältnisse die tatsächlichen Verhältnisse gegenüber dem Geschäfts- und Rechtsverkehr verschleiert. Hier läge im Allgemeinen keine Ausführung von Schenkungen vor. Bei Übertragungen auf ausländische Stiftungen ist Voraussetzung für einen Schenkung, dass die Stiftung über das Vermögen als selbstständige Rechtsträgerin rechtlich und tatsächlich frei verfügen kann. Die Übertragung und der Übergang von Vermögen auf eine Vermögensmasse ausländischen Rechts, insbesondere auf einen Trust, ist ein stpfl. – grds. unbedingter – Erwerbstatbestand (§ 7 Abs. 1 Nr. 8 S. 2 ErbStG). Es besteht aber kein allgemeiner Erfahrungssatz, dass eine Übertragung von Vermögenswerten, durch die der Zugriff eines Dritten vereitelt werden soll, nicht schenkweise, sondern nur scheinbar oder treuhänderisch erfolgt ist. Die Entscheidung darüber hat das Finanzamt nach entsprechender Sachverhalts- und Beweiswürdigung zu treffen.
Rz. 42
Da § 9 Abs. 1 Nr. 2 ErbStG den Zeitpunkt der Ausführung der Zuwendung für sämtliche Schenkungen unter Lebenden als Steuerentstehungszeitpunkt bestimmt, ergeben sich die Besonderheiten aus den Steuertatbeständen selbst. Soweit hierbei an vertragliche Vereinbarungen angeknüpft wird, ist die Zuwendung mit dem rechtswirksamen Vertrag ausgeführt. Im Übrigen gilt, dass nach § 1 Abs. 2 ErbStG die Vorschriften über die Erwerbe von Todes wegen, soweit nichts anderes bestimmt ist, auch für Schenkungen unter Lebenden gelten. Das bedeutet, dass insbesondere bei Sachverhalten i.S.d. § 9 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a ErbStG sich bei Schenkungen dieselben Problemlagen wie bei Erwerben von Todes wegen ergeben, z.B. bei Schenkung einer gestundeten Forderung mit der Besonderheit, dass die Zahlung nicht bis zu einem festliegenden Zeitpunkt, sondern bis zum Eintritt der Besserung (der Verhältnisse des Beschenkten, sog. Besserungsabrede) vereinbart wird. Hier liegt ein Ereignis vor, bei dem es nicht nur ungewiss ist, wann es eintritt, sondern auch und vor allem, ob es überhaupt eintritt. Nach Auffassung des BFH enthält daher § 9 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a ErbStG für diese Problemlagen auch bei Schenkungen die speziellere Regelung gegenüber der Nr. 2 der Vorschrift (Zeitpunkt der Ausführung der Schenkung). Dieses Gesetzesverständnis liegt im Übrigen auch § 7 Abs. 1 Nr. 10 ErbStG zugrunde, indem Abfindungen für aufschiebend bedingt, betagt oder befristet erworbene Ansprüche, die vor dem Zeitpunkt des Eintritts der Bedingung oder des Ereignisses gewährt werden, als Schenkungen unter Lebenden behandelt werden. M.E. ist die Regelung in § 9 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a ErbStG nur heranzuziehen, wenn die Anwendung der §§ 4 ff. BewG zu keinem Ergebnis führen.
Rz. 43
Der Gesetzgeber hat mit § 9 Abs. 1 Nr. 2 ErbStG für Schenkungen den Entstehungszeitpunkt zeitlich so gelegt, dass im Allgemeinen davon ausgegangen werden kann, dass der Erwerber endgültig bereichert ist und die Steuerbelastung tragen kann. Deshalb kann mit gewillkürter Rückdatierung der Schenkung kein früherer Ausführungszeitpunkt herb...