Rz. 197
Gem. § 13b Abs. 4 Nr. 1 S. 2 Buchst. a ErbStG ist eine schädliche Nutzungsüberlassung (von Grundbesitz) an Dritte nicht anzunehmen, wenn der Erblasser oder Schenker sowohl im überlassenden Betrieb als auch im nutzenden Betrieb allein oder zusammen mit anderen Gesellschaftern einen einheitlichen geschäftlichen Betätigungswillen durchsetzen kann oder der Grundbesitz zu seinem Sonderbetriebsvermögen gehört und – in beiden Fällen – keine Nutzungsüberlassung an einen weiteren Dritten erfolgt.
Rz. 198
Die erste Alternative (Durchsetzung eines einheitlichen geschäftlichen Betätigungswillens) zielt in erster Linie auf die Fälle ab, die ertragsteuerlich als Betriebsaufspaltungen zu qualifizieren sind. Bei der sog. echten Betriebsaufspaltung, die regelmäßig aus der Aufteilung eines ursprünglich einheitlichen Unternehmens hervorgeht, überlässt eine – typischerweise natürliche – Person wesentliche Betriebsgrundlagen an eine Kapitalgesellschaft, an der sie – allein oder mit anderen – mehrheitlich beteiligt ist. Die Überlassung der wesentlichen Betriebsgrundlagen führt zu einer sog. sachlichen Verflechtung der beiden Unternehmen, die Möglichkeit, in beiden Unternehmen einen einheitlichen geschäftlichen Betätigungswillen durchzusetzen, zu einer sog. personellen Verflechtung. Einfach zu beurteilen sind insoweit regelmäßig die Fälle, in denen die natürliche Person allein die Kapitalgesellschaft (durch eine Mehrheitsbeteiligung) beherrscht. Daneben sind jedoch auch Gestaltungen denkbar, in denen – sowohl in sog. Besitz- als auch in Betriebsunternehmen – die Beherrschung durch eine Gruppe von Gesellschaftern mit gleichgerichteten Interessen erfolgt (Personengruppentheorie). Auch diese Gestaltungen sind ertragsteuerlich als Betriebsaufspaltungen zu qualifizieren. Sie sind daher auch erbschaftsteuerlich begünstigt.
Nutzungsüberlassung und Beherrschung sowohl des nutzenden als auch des überlassenden Unternehmens müssen bereits beim Erblasser/Schenker vorliegen. Es genügt in keinem Fall, dass beispielsweise eine Betriebsaufspaltungssituation erst durch die Übertragung, also in der Hand des Erwerbers, entsteht.
Rz. 199
Das Erbschaftsteuergesetz verweist indes nicht auf die ertragsteuerrechtliche Definition, sondern nimmt statt dessen eine eigenständige Abgrenzung der von der Ausnahmeregelung des § 13b Abs. 4 S. 2 Nr. 1 S. 2 Buchst. a ErbStG betroffenen Fälle vor. Diese geht in sachlicher Hinsicht über die ertragsteuerrechtliche Betriebsaufspaltung hinaus. Der BFH lässt sich aber erkennbar vom Ertragsteuerrecht leiten. Denn während im Ertragsteuerrecht nur bei der Überlassung wesentlicher Betriebsgrundlagen eine Betriebsaufspaltung anzunehmen ist, kann erbschaftsteuerrechtlich auch die Überlassung nicht wesentlicher Betriebsgrundlagen privilegiert sein.
Rz. 200
Die Finanzverwaltung ist jedoch der Auffassung, dass die Überlassung von zumindest einer funktional wesentlichen Betriebsgrundlage grds. vorauszusetzen sei, da andernfalls gar kein begünstigtes Betriebsvermögen vorliege. Diese Aussage ist zwar grds. zutreffend, hat jedoch mit dem Wortlaut des Gesetzes wenig zu tun. Denn § 13b Abs. 4 Nr. 1 S. 2 Buchst. a ErbStG setzt gerade nicht das Vorliegen einer ertragsteuerlichen Betriebsaufspaltung voraus. Vor diesem Hintergrund sind meines Erachtens auch Gestaltungen begünstigt, bei denen – ausnahmsweise – die Annahme einer Betriebsaufspaltung im ertragsteuerrechtlichen Sinne wegen des Fehlens der sachlichen Verflechtung (Überlassung wenigstens einer funktional wesentlichen Betriebsgrundlage), nicht aber aus anderen Gründen scheitert.
Rz. 201
Ungeachtet der fehlenden gesetzlichen Verweise auf das Ertragsteuerrecht ist das Vorliegen der Möglichkeit des Erblassers bzw. Schenkers, sowohl im überlassenden Betrieb als auch im nutzenden Betrieb allein oder zusammen mit anderen Gesellschaftern einen einheitlichen geschäftlichen Betätigungswillen durchzusetzen, nach ertragsteuerrechtlichen Grundsätzen zu beurteilen. Erforderlich ist die Möglichkeit der Durchsetzung mit Mitteln des Gesellschaftsrechts.
Demzufolge reicht beispielsweise das Vorliegen eines bloßen Vetorechts nicht aus, da mit dessen Hilfe gerade kein geschäftlicher Betätigungswille durchgesetzt (sondern lediglich ein abweichender verhindert) werden kann. Vorausgesetzt wird daher in der Regel eine Beteiligungs- bzw. (wenigstens) Beherrschungsidentität.
Auch das Bestehen eines faktischen Beherrschungsverhältnisses reicht in der Regel nicht aus. In jedem Fall ist die Möglichkeit der Einflussnahme auf die zur Beherrschung führenden Stimmrechte erforderlich.
Rz. 202
Auch wenn dies aus dem Wortlaut der Vorschrift nicht unbedingt herauszulesen ist, geht die Finanzverwaltung davon aus, dass der einheitliche geschäftliche Betätigungswille des Erblassers/Schenkers (ggf. auch der Personengruppe, der er angehört) im Besitz- und Betriebsunternehmen unmittelbar durchsetzbar sein müsse. ...