Rz. 43
Erblasserverbindlichkeiten sind abzugsfähig, sofern sich nach § 10 Abs. 6 ErbStG nicht ein Verbot der Abzugsfähigkeit ergibt. Die Verbindlichkeiten müssen noch in der Person des Erblassers entstanden sein und dürfen nicht bereits vor seinem Tod erloschen sein. Problematisch ist dies für den Fall, dass eine Verbindlichkeit des Erblassers bereits zu dessen Lebzeiten verjährt war, der Erblasser als Schuldner aber leistungswillig war. Nach § 214 Abs. 1 BGB wäre der Schuldner berechtigt, nach Eintritt der Verjährung die Erfüllung der Schuld zu verweigern. Leistet er jedoch auf eine verjährte Forderung, so kann er nach § 214 Abs. 2 BGB diese Leistung nicht mehr zurückfordern. Auch kann die Verjährung neuerlich zu laufen beginnen, sofern der Schuldner zwar nicht den vollständigen Anspruch erfüllt hat, jedoch nach § 212 Abs. 1 Nr. 1 BGB durch eine Teilleistung auf den fälligen Anspruch zu erkennen gegeben hat, dass er die Verbindlichkeit anerkennt. Wenn also der Schuldner zu erkennen gibt, dass er die Verbindlichkeit erfüllen möchte, trotz mittlerweile eingetretener Verjährung, so ist diese Verbindlichkeit abzugsfähig, da der Schuldner wirtschaftlich belastet ist, mit Erfüllung der Verbindlichkeit. Der Zugewinnausgleichsanspruch des überlebenden Ehegatten ist, obgleich erst nach dem Tode des Erblassers realisiert, eine Verbindlichkeit des Erblassers. Denn der Zugewinnausgleichsanspruch nach § 1371 Abs. 2 BGB ist nach Beendigung der Ehe der Ausgleichsanspruch des überlebenden Ehegatten, der nicht Erbe geworden ist, gegen den verstorbenen Ehegatten und damit Erblasserverbindlichkeit. Da die Erben aber im Rahmen der Gesamtrechtsnachfolge nach § 1922 BGB auch die Verpflichtungen des Erblassers zu tragen haben, richtet sich der Zugewinnausgleichsanspruch gegen die Erben. Die Zugewinnausgleichsforderung ist mit ihrem Nennwert zu berücksichtigen.
Rz. 44
Eine Abgrenzung zwischen Verbindlichkeiten des Erblassers und Verbindlichkeiten, die beim Erben entstehen, hat auch bei Dauerschuldverhältnissen exakt stattzufinden. Beispielsweise hat der Erblasser auf einen bestehenden Mietvertrag rückständige Mietzahlungen gehabt. Diese rückständigen Mietzahlungen sind Verbindlichkeiten des Erblassers, da sie noch in dem Zeitpunkt entstanden sind, als der Erblasser gelebt hat. Da Mietverhältnisse meist erst unter Einhaltung einer Kündigungsfrist beendet werden können, hat der Erbe nach dem Tod des Erblassers in der Regel noch für eine gewisse Zeit Mietzahlungen zu entrichten. Dies erst nach dem Tod des Erblassers entstehenden Mietzahlungsverpflichtungen sind dann Verbindlichkeiten des Erben, nicht des Erblassers. Maßgeblich für die Berücksichtigung als Erblasserverbindlichkeit ist also stets, dass die Verbindlichkeit schon in der Person des Erblassers begründet wurde und wirtschaftlich schon den Erblasser belastet hat. Bei schwebenden gegenseitigen Rechtsgeschäften, die von beiden Parteien eines Vertragsverhältnisses noch nicht erfüllt wurden, ist nach der Rechtsprechung keine Belastung eingetreten, so dass eine Berücksichtigung als Verbindlichkeit des Erblassers ausscheidet. Steuerberatungskosten sind dann Verbindlichkeiten des Erblassers, sofern der Erblasser den Steuerberater beauftragt hat. Dies gilt selbst dann, wenn der Erblasser beauftragt hat, ein Gutachten darüber zu erstellen, welche Steuern im Erbfall anfallen würden, und der Erblasser in der Zwischenzeit verstirbt. Handelt es sich dagegen um Steuerberaterkosten, die im wirtschaftlichen Zusammenhang mit dem Betrieb des Erblassers stehen, so werden diese als Verbindlichkeiten nach § 10 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG bei der Ermittlung des Wertes des Betriebsvermögens nach § 12 Abs. 5 ErbStG i.V.m. § 151 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 BewG erfasst. Eine Einkommensteuerverbindlichkeit des Erblassers liegt vor, sofern der Erblasser selbst noch die Grundlage für die Festsetzung der Einkommensteuer gesetzt hat. Es ist nicht erforderlich, dass die Einkommensteuer noch zu Lebzeiten des Erblassers festgesetzt wurde. Ein überwiegender Teil der Literatur und Rechtsprechung geht davon aus, dass erst mit Ablauf eines Veranlagungsjahres die Einkommensteuer entstanden sei und insofern dann auch abzugsfähig ist. Eine vom Erblasser hinterzogene Einkommensteuer, welche nach dem Eintritt des Erbfalls nicht festgesetzt wurde, kann auch dann nicht vom Erben in Abzug gebracht werden, wenn er das für die Festsetzung der Einkommensteuer zuständige Finanzamt zeitnah unterrichtet hat. Es wird dabei auf § 11 EStG abgestellt, das gemäß dem BFH Vorrang hat vor dem Bereicherungsgrundsatz des ErbStG. Nicht abzugsfähig sind Einkommensteuerschulden aus dem Veranlagungszeitraum, in den der Todeszeitpunkt des Erblassers fällt. Diese entstehen erst mit Ablauf des Kalenderjahrs. Denn im Zeitpunkt des Todes haben sie noch nicht bestanden. Dies ist in § 36 Abs. 1 EStG eindeutig geregelt. Erst mit Ablauf des Veranlagungszeitraums entsteht die Einkommensteuer.
Rz. 45