Rz. 393

Die Möglichkeit, zur Vollverschonung zu optieren, besteht nur dann, wenn das begünstigte Vermögen nicht zu mehr als 20 % aus Verwaltungsvermögen besteht, § 13b Abs. 2 S. 1 i.V.m. § 13a Abs. 10 S. 2 ErbStG.[952] Der insoweit maßgebliche Anteil bestimmt sich nach dem Verhältnis der Summe der gemeinen Werte der Einzelwirtschaftsgüter des Verwaltungsvermögens (Bruttowert) zum gemeinen Wert des Betriebs (§ 13a Abs. 10 S. 3 ErbStG).[953] Eine Saldierung mit (anteilig auf das Verwaltungsvermögen entfallenden) Schulden sowie der Abzug des unschädlichen Verwaltungsvermögens sind insoweit prinzipiell nicht vorgesehen.[954] Allerdings ist auch im Anwendungsbereich von § 13a Abs. 10 S. 3 ErbStG das Verwaltungsvermögen i.S.v. § 13b Abs. 3 S. 1 ErbStG auszusondern. Hierbei handelt es sich um die Vermögensteile, die der Deckung von Altersvorsorgeverpflichtungen dienen, und zwar begrenzt auf den Wert der entsprechenden Verbindlichkeiten (vgl. hierzu § 13b ErbStG Rdn 179 ff.).

 

Rz. 394

Außerdem ist zu beachten, dass nur das (tatsächliche) Verwaltungsvermögen nach § 13b Abs. 3 und 4 ErbStG in die Prüfung einzubeziehen ist. Demzufolge stellt der Sockelbetrag nach § 13b Abs. 4 S. 1 Nr. 5 (15 % des Werts des Betriebsvermögens) kein Verwaltungsvermögen i.S.v. § 13a Abs. 10 S. 3 ErbStG dar,[955] wohl aber – wie erwähnt – das unschädliche Verwaltungsvermögen nach § 13b Abs. 7 ErbStG (denn diese Vorschrift ist in § 13a Abs. 10 S. 3 ErbStG nicht genannt). Vor diesem Hintergrund kann es für den Steuerpflichtigen in bestimmten Fällen interessant sein, beispielsweise durch die Anwendung des vereinfachten Ertragswertverfahrens einen höheren Unternehmenswert der Besteuerung zugrunde zu legen.[956] Im Übrigen ist im Rahmen des 20 %-Tests auch die Möglichkeit einer Umqualifizierung von Verwaltungsvermögen durch Investitionen nach § 13b Abs. 5 ErbStG zu berücksichtigen.[957]

 

Rz. 395

Soweit für das begünstigte Vermögen der Anteil des Verwaltungsvermögens wegen Vorliegens mehrstufiger Strukturen (Konzernverhältnisse) in einer Verbundvermögensaufstellung (§ 13b Abs. 9 ErbStG) zu ermitteln ist, kommt es für die Anwendung von § 13a Abs. 10 S. 3 ErbStG natürlich auf diese an. Eine isolierte Betrachtung der einzelnen betrieblichen Einheiten/Beteiligungen scheidet dann aus.

 

Rz. 396

Auch wenn dies aus dem Wortlaut des Gesetzes nicht abgeleitet werden kann, geht die Finanzverwaltung – nach wie vor – davon aus, dass die Optionsausübung durch einen Erwerber stets nur einheitlich für alles im Zuge ein und desselben Erbfalls bzw. ein und derselben Schenkung[958] vom selben Erblasser/Schenker erworbenes begünstigtes Vermögen erfolgen könne, und nicht separat für unterschiedliche (begünstigte) Erwerbsgegenstände.[959] Demzufolge setzt die Anwendung von § 13a Abs. 10 S. 3 ErbStG über die Verbundvermögensaufstellung hinaus eine globale Betrachtung sämtlicher erworbener begünstigter Einheiten voraus.[960] Hieraus folgt, dass – unter Zugrundelegung der Verwaltungsauffassung – für keine von mehreren gleichzeitig übergehenden wirtschaftlichen Einheiten die Optionsverschonung in Anspruch genommen werden kann, wenn infolge der einheitlichen Betrachtung insgesamt ein Verwaltungsvermögensanteil von mehr als 20 % vorliegt.[961]

Richtig (und auch dem Wortlaut des Gesetzes entsprechend) ist aber, jede eigenständige Einheit begünstigten Vermögens (Betrieb, Gesellschaftsbeteiligung etc.) gesondert zu betrachten und insoweit jeweils auf ihren (isolierten) Wert bzw. ihr (eigenes) Verwaltungsvermögen abzustellen.[962]

[952] Vgl. Jülicher, in: Troll/Gebel/Jülicher/Gottschalk, ErbStG, § 13a Rn 502.
[953] R E 13a.21 Abs. 3 S. 2 ErbStR 2019.
[954] Jülicher, in: Troll/Gebel/Jülicher/Gottschalk, ErbStG, § 13a Rn 505 f.
[955] Jülicher, in: Troll/Gebel/Jülicher/Gottschalk, ErbStG, § 13a Rn 505; Stalleiken, Ubg 2016, 569, 574; a.A. Geck, ZEV 2016, 546, 552; Thonemann-Micker, DB 2016, 2312, 2316 f.
[956] Vgl. hierzu Kummer/Wangler, DB 2017, 1917 f.
[957] Meincke/Hannes/Holtz, ErbStG, § 13a Rn 120; Jülicher, in: Troll/Gebel/Jülicher/Gottschalk, ErbStG, § 13a Rn 505.
[958] Das kann sogar bei auf mehrere Urkunden aufgeteilten Zuwendungen der Fall sein, wenn diese als einheitliche Zuwendungen anzusehen sind, vgl. FG Münster v. 9.7.2018 – 3 K 2134/17 Erb, ZEV 2018, 674.
[959] R E 13a.21 Abs. 1 ErbStR 2019.
[960] Jülicher, in: Troll/Gebel/Jülicher/Gottschalk, ErbStG, § 13a Rn 511; vgl. auch FG Münster v. 9.12.2013 – 3 K 3969/11 Erb, EFG 2014, 650; FG Münster v. 10.9.2020 – 3 K 2317/19 Erb, EFG 2020, 1713, Revision eingelegt, Az. BFH II R 25/20. Vgl. zum ErbStG 2009: R E 13a.13 Abs. 3 S. 1 ErbStR 2011.
[961] Vgl. zum ErbStG 2009: Eisele, NWB 2012, 96, 105.
[962] Löcherbach, in: Viskorf/Schuck/Wälzholz, ErbStG und BewG, § 13a Rn 218; Jülicher, in: Troll/Gebel/Jülicher/Gottschalk, ErbStG, § 13a Rn 511.

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