Rz. 47
In § 10 Abs. 5 Nr. 2 ErbStG werden sämtliche Belastungen des Erben erfasst, die aufgrund des Erbfalls mit dem Erwerb verbunden sind und damit nach § 1967 Abs. 2 BGB als Nachlassverbindlichkeiten gelten. Diese Verbindlichkeiten, die mit dem Erbfall verbunden sind, schmälern den Erwerb des Erben, sein Vermögenszuwachs fällt also geringer aus, als wenn diese Erbfallverbindlichkeiten nicht bestehen würden. Deshalb sind diese Nachlassverbindlichkeiten, die mit dem Erbfall entstehen, abzugsfähig nach § 10 Abs. 5 Nr. 2 ErbStG. Erbfallverbindlichkeiten sind Vermächtnisse nach § 2147 BGB, Auflagen nach § 1940 BGB, geltend gemachte Pflichtteilsansprüche nach § 2303 BGB und Erbersatzansprüche nach §§ 1934a ff. BGB a.F. (Art. 227 EGBGB). Auflagen und Vermächtnisse fallen unmittelbar mit dem Erbfall an. Pflichtteilsansprüche und Erbersatzansprüche hingegen fallen nur an, wenn diese Ansprüche tatsächlich auch geltend gemacht werden, erst dann sind sie auch abzugsfähig. Mit einem Vermächtnis kann nicht nur der Erbe belastet werden, sondern ein Vermächtnisnehmer kann auch mit einem Untervermächtnis oder einer Auflage nach § 2186 BGB belastet sein.
a) Vermächtnislast
Rz. 48
Eine Vermächtnislast wird mit dem gemeinen Wert nach § 9 Abs. 1 BewG bewertet. Abweichungen davon können sich ergeben. Das Geldwertvermächtnis, sofern es mit der Auflage verbunden ist, einen Gegenstand aus dem Nachlass zu veräußern, um einen bestimmten Geldbetrag zu erlangen, ist mit dem Wert anzusetzen, den die verkaufte Sache hatte. Ein Kaufrechtsvermächtnis ist mit dem Wert anzusetzen, der dem Erwerbsgegenstand zugrunde liegt.
b) Pflichtteilsanspruch
Rz. 49
Ein Pflichtteilsanspruch wird erst dann eine abzugsfähige Erbfallverbindlichkeit, wenn der Pflichtteilsberechtigte den Anspruch geltend gemacht hat, denn erst dann ist der Erbe damit belastet. Zwar stellt das möglicherweise nicht ausgeübte Pflichtteilsrecht im Prinzip eine latente Last des Erben dar, solange es nicht ausgeübt wird, da jedoch das Pflichtteilsrecht der Verjährung nach § 2332 BGB unterliegt und nur dann fällig wird, wenn es vom Pflichtteilsberechtigten rechtzeitig geltend gemacht wird, ist es bis dahin nicht abzugsfähig. Wird jedoch ein Pflichtteilsanspruch geltend gemacht, obgleich er bereits verjährt ist, der Erbe aber nachweislich bereit ist, den Pflichtteilsanspruch zu erfüllen, dann ist trotz eingetretener Verjährung der erfüllbare Pflichtteilsanspruch als Erbfallverbindlichkeit abzugsfähig. Ob der geltend gemachte Pflichtteilsanspruch tatsächlich erfüllt wurde, ist für dessen Abzugsfähigkeit unbeachtlich.
Rz. 50
Deshalb ist eine Zahlung auf eine verjährte Pflichtteilsforderung auch keine lebzeitige Zuwendung nach § 7 Abs. 1 ErbStG. Denn der Erbe erfüllt eine bestehende Schuld. Daher gibt es im Zivilrecht nach den §§ 813 Abs. 2 S. 2, 214 Abs. 2 BGB kein Rückforderungsrecht, und dem folgt das Erbschaft- bzw. Schenkungsteuerrecht. Deshalb ist es richtig, dass der Schuldner eine verjährte Schuld abziehen kann, wenn er sie erfüllt. Wird ein Pflichtteilsanspruch bis zum Ableben des Pflichtteilsschuldners gestundet, ist der Abfindungsbetrag beim Erben des Pflichtteilsschuldners als Nachlassverbindlichkeit abzugsfähig.
Die Pflichtteilslast des Erben ist gleich zu bewerten wie der Pflichtteilsanspruch des Pflichtteilsberechtigten. In gleichem Umfang auch der Pflichtteilsergänzungsanspruch nach § 2325 Abs. 1 BGB. Beim Vorerben ist als Besonderheit zu beachten, dass er bei vorzeitiger Übertragung des von der Nacherbschaft umfassten Vermögens (Sondervermögen beim Vorerben) nichts aus seinem eigenen Vermögen überträgt, so dass diesbezüglich kein Ergänzungsanspruch besteht.
c) Auflage
Rz. 51
Eine Auflage nach § 1940 BGB entsteht mit dem Erbfall und kann somit nach § 10 Abs. 5 Nr. 2 ErbStG als Erbfallverbindlichkeit abgezogen werden. Eine Auflage kann auch befristet erfolgen. Das Besondere bei einer Auflage ist, dass ihr kein Begünstigter gegenübersteht, denn als Zweckzuwendung nach § 8 ErbStG sind die Zuwendungen entsprechend zu verwenden.