Rz. 50
Ist bei der Steuerfestsetzung der Verkehrswert einer Nutzung oder wiederkehrenden Leistung zu ermitteln (z.B. wenn eine Leibrente oder Pflegeleistungen als Gegenleistung vereinbart sind; zur Bewertung von Pflegeleistungen vgl. § 13 ErbStG Rdn 76 ff.), ist ihr Kapitalwert als Wert der Gegenleistung zugrunde zu legen. Der Kapitalwert ermittelt sich aufgrund des tatsächlichen Jahreswertes der Nutzung bzw. Leistung nach den §§ 13–16 BewG. Da der Wert eines Gegenstandes stets seine Nutzung einschließt, müssen der Verkehrswert des Gegenstandes und der Verkehrswert der bloßen Nutzung in einem angemessenen Verhältnis zueinanderstehen. Dies wird seit dem 1.1.2009 durch die Bezugnahme auf die jeweils aktuellen Sterbetafeln weitestgehend vom Gesetz gewährleistet.
Rz. 51
Zu beachten ist, dass § 14 Abs. 2 BewG bei Ermittlung der Gegenleistung in Form einer wiederkehrenden Leistung nach Ansicht der Finanzverwaltung ebenfalls Anwendung findet. Es gelten die gesetzlichen Regeln zur Bewertung der Leistungsauflage (§§ 1–9, 13–16 BewG). Ist die Lebenserwartung jedoch aufgrund besonderer persönlicher Umstände mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit niedriger als die Lebenserwartung nach den aktuellen Sterbetafeln, ist auf diese niedrigere Lebenserwartung abzustellen.
Rz. 52
Nach der Rechtsprechung des BFH ist darüber hinaus Folgendes zu berücksichtigen: Änderungen in der Höhe einer Rente, die durch eine Wertsicherungsklausel zu einem späteren Zeitpunkt eintreten, bleiben bei der Bemessung der Schenkungsteuer zunächst unberücksichtigt. Gleiches gilt, wenn nach dem Tod des Rentenberechtigten die Rente in niedrigerer Höhe an dessen Hinterbliebene fortzuzahlen ist. Die zweite Rentenzahlung ist aufschiebend bedingt und damit gemäß § 6 Abs. 2 BewG vor dem Bedingungseintritt nicht anzusetzen. Die Schenkungsteuerfestsetzung ist nachträglich zu korrigieren (§ 175 AO, § 5 Abs. 2 BewG). Diese Korrektur kann so weit gehen, dass aus einer gemischten Schenkung (ohne Berücksichtigung der aufschiebend bedingten Rente oder der Wertsicherungsklausel) ein voll entgeltliches Geschäft wird (wenn die Gegenleistung bei Einbeziehung der aufschiebend bedingten Rente oder Rentenerhöhung infolge der Wertsicherungsklausel der Zuwendung entspricht) oder sogar eine umgekehrte gemischte Schenkung vorstellbar ist, wenn nämlich die Gegenleistung bei Bedingungseintritt die Zuwendung erheblich übersteigt.
Beispiel
Der Vater V schenkt seinem Sohn S ein Grundstück (Verkehrswert 500.000 EUR). Als Gegenleistung zahlt S dem V auf Lebenszeit eine Rente mit einem Kapitalwert von 300.000 EUR. Wenn V stirbt, muss S die Rente an die Frau F des V auf deren Lebenszeit weiterzahlen (Kapitalwert 350.000 EUR).
Im ersten Schritt liegt eine freigebige Zuwendung des V an S vor. Die Bereicherung beträgt 200.000 EUR (500.000 EUR – 300.000 EUR). Mit dem Tod des V tritt die aufschiebende Bedingung ein. Die Rentenzahlungsverpflichtung an F ist als Gegenleistung zu berücksichtigen. Die Gegenleistung des S beläuft sich nunmehr insgesamt auf 300.000 EUR zzgl. 350.000 EUR, also 650.000 EUR und übersteigt damit den Wert der Grundstückszuwendung (500.000 EUR). Der Schenkungsteuerbescheid gegenüber S als Bedachtem ist daher aufzuheben.
Zur Aufteilung der Rentenverpflichtung als Gegenleistung bei mehreren Schenkungsgegenständen vgl. oben Rdn 48.
Rz. 53
Bei einer Schenkung unter der Bedingung der Erbringung von Pflegeleistungen für den erst künftig eintretenden Pflegefall gilt Ähnliches: Bis zum Eintritt des Pflegefalles handelt es sich um eine voll unentgeltliche Zuwendung (aufschiebende Bedingung). Ab dem Eintritt der Pflegebedürftigkeit (i.S.v. § 15 SGB XI) kommt es zu einer gemischten Schenkung und damit einer nachträglichen Reduzierung der Steuerbelastung, wobei sich die Bestimmung des Zeitpunktes des Bedingungseintritts in der Praxis aufgrund der fließenden Übergänge häufig schwierig gestaltet. Die Pflegeleistung ist als Gegenleistung mit ihrem Kapitalwert bei Eintritt des Pflegefalls in Abzug zu bringen, der auf den Zeitpunkt der Zuwendung abzuzinsen ist (zur Bewertung der Pflegeleistung siehe § 13 ErbStG Rdn 76 ff.).
Beispiel
Der 65-jährige Vater V schenkt seinem Sohn S im Jahr 2007 ein Grundstück (Steuerwert 500.000 EUR). S verpflichtet sich, den V im Falle der Pflegebedürftigkeit auf Lebenszeit des V zu pflegen. Nach fünf Jahren tritt im Jahr 2012 der Pflegefall ein. Die von S erbrachten Leistungen entsprechen der Pflegestufe I (konkret 450 EUR pro Monat).
Kapitalwert der Pflegeleistung bei Bedingungseintritt:
a) |
Jahreswert der Leistungen, Pflegestufe I: |
450 EUR × 12 = 5.400 EUR |
b) |
Faktor gemäß Sterbetafel 2008, 2010: |
11,295 |
c) |
Kapitalwert der Leistungen: |
5.400 EUR × 11,295 = 60.993 EUR |
d) |
Abzinsungsfaktor für fünf Jahre gem. Tab. 1 zum Ländererlass v. 10.10.2010 |
0,765 |
→ Kapitalwert der Pflegeleistung:
60.993 EUR × 0,765 = rd. 46.659 EUR
Die schenkungsteuerliche Bemessungsgrundlage des S beträgt daher bei Bedingungs...