Raymond Halaczinsky, Ulrich Gohlisch
Rz. 91
Eine Entlassung aus der Haftung ist nur bei Vorlage einer Unbedenklichkeitsbescheinigung des Finanzamts möglich. Es gibt vier Möglichkeiten der Unbedenklichkeitsbescheinigung:
1. |
Das Finanzamt kann eine Unbedenklichkeitsbescheinigung ausstellen, wenn klar erkennbar ist, dass keine Erbschaftsteuer anfällt, weil der Erwerb steuerfrei ist. |
2. |
Das Finanzamt kann eine Unbedenklichkeitsbescheinigung ausstellen, nachdem die Erbschaftsteuer entrichtet worden ist. |
3. |
Gelegentlich kommt es aber in der Praxis vor, dass der Erwerber überhaupt kein eigenes Vermögen hat, aus dem er die Erbschaftsteuer entrichten kann. Bei dieser Fallkonstellation hat sich in der Praxis die Möglichkeit bewährt, eine Unbedenklichkeitsbescheinigung dergestalt zu formulieren, dass gegen eine Auszahlung der Gelder keine Bedenken bestehen, wenn gewährleistet ist, dass vorab durch die Bank die Erbschaftsteuer entrichtet wird. |
4. |
Schließlich ist es auch noch möglich, mit einer Unbedenklichkeitsbescheinigung zunächst nur einige Konten freizugeben und für die restlichen Konten erst nach Entrichtung der Erbschaftsteuer die Unbedenklichkeitsbescheinigung zu erteilen. |
Mit der unter 3. dargestellten Variante musste sich das Niedersächsische Finanzgericht befassen, denn im Urteilsfall stellte sich nachträglich heraus, dass der Kontostand des Girokontos des Erblassers dem Finanzamt zu hoch mitgeteilt worden war, weil nachträglich durch einen Rückruf des Versorgungsamts sich der Kontostand um Rentenzahlungen vermindert hatte. Das hatte zur Folge, dass sich der in der Unbedenklichkeitsbescheinigung des Finanzamts genannte Rückbehaltsbetrag als zu niedrig erwiesen hat. Das Finanzgericht gab dem vom Finanzamt als Haftenden in Anspruch genommenen Geldinstitut Recht und hob den Haftungsbescheid und die Einspruchsentscheidung auf. Die vom Finanzamt dagegen eingelegte Revision war erfolgreich, denn der BFH hat entschieden, dass die Bank die Steuer zusätzlich zur Rentenzahlung hätte zurückbehalten müssen, denn die Bank hätte erkennen müssen, dass der nach der Unbedenklichkeitsbescheinigung zurückzubehaltende Betrag allein für die Sicherstellung der Steuer und nicht auch für die Rückzahlung der zu Unrecht überwiesenen Rentenbeträge bestimmt war. In der vom Finanzamt erteilten Unbedenklichkeitsbescheinigung ist somit keinesfalls ein Persilschein zu sehen. Werkmüller stimmt der Auffassung des BFH nicht zu und vertritt die Ansicht, dass gesetzessystematisch der Tatbestand des § 20 Abs. 6 ErbStG teleologisch dahingehend zu reduzieren sei, dass ein Verschulden der Bank ausscheidet, wenn der im Rahmen einer Unbedenklichkeitsbescheinigung bezeichnete Betrag aufgrund anderer öffentlich-rechtlicher Pflichten, d.h. vorliegend nach § 118 Abs. 3 SGB VI, herausgegeben werden muss. Ich teile die Auffassung von Werkmüller nicht, denn die Banken haben im Gegensatz zur Finanzverwaltung problemlos die Möglichkeit, das Konto des Erblassers einzusehen und damit auch zu erkennen, ob und in welcher Höhe auf dem Girokonto des Erblassers nach seinem Tod noch Rentenzahlungen eingegangen sind. Somit kann sich die Bank ohne Probleme auf entsprechende Rückforderungsansprüche einstellen und kann nicht nur die Erbschaftsteuer, sondern auch zu viel gezahlte Renten einbehalten.
Rz. 92
Eine interessante Rechtsfrage ist, ob das betreffende Finanzamt verpflichtet werden kann, eine Unbedenklichkeitsbescheinigung auszustellen, damit sich das Versicherungsunternehmen nicht (mehr) darauf berufen kann, die Versicherungssumme in Hinblick auf eine mögliche Haftung nach § 20 Abs. 6 ErbStG zurückzubehalten, bzw. damit bei einer vermeintlich ungerechtfertigten Zurückbehaltung der Versicherungssumme Schadensersatz gegenüber der Finanzverwaltung geltend gemacht werden kann. Dazu entschied das FG Köln: Eine solche "Unbedenklichkeitsbescheinigung" dient einzig dem Interesse des Unternehmens an der Vermeidung einer Haftung. Sie ordnet keine Rechtsfolge einseitig und verbindlich an, sondern enthält vielmehr nur eine Äußerung der Behörde in Form einer Wissenserklärung über die Erfüllung bzw. Nichterfüllung steuerlicher Pflichten als einen tatsächlichen Vorgang. Die im Rahmen des § 20 Abs. 6 ErbStG für einen Ausschluss der Haftung eines leistenden Versicherungsunternehmens erteilte bzw. von diesem begehrte "Unbedenklichkeitsbescheinigung" ist mangels Regelungscharakters kein Verwaltungsakt. Folglich kann das Finanzamt nicht auf Erteilung einer Unbedenklichkeitsbescheinigung verklagt werden. Somit müsste die Frage, ob eine Versicherung eine Auszahlung unter Berufung auf § 20 Abs. 6 ErbStG zu Recht verweigert und dadurch ein Schaden entsteht/entstanden ist, in einem Zivilverfahren geklärt werden.
Rz. 93
Die Auszahlung der Versicherungsleistung aus einer Direktversicherung an den Arbeitnehmer, der im Ausland lebt, unterliegt nicht der Haftung nach § 20 Abs. 6 ErbStG, weil der Rechtsgrund in dem zwischen dem früheren Versicherungsnehmer und dem Versicherten bestehenden früheren Arbeitsverh...