Rz. 1

Wie schon zu § 13 BewG erläutert, hängt der Barwert von Nutzungen und Leistungen unter anderem von ihrer Laufzeit ab. Ist sie unbekannt, muss sie prognostiziert oder geschätzt werden.

 

Rz. 2

Unbekannt ist die Laufzeit, wenn sie von der Lebenszeit des Berechtigten abhängt. Denn die individuelle Lebenszeit lässt sich nicht berechnen. Mit Hilfe statistischer Verfahren berechnen lässt sich nur die künftige durchschnittliche Lebenserwartung einer Person, die ein bestimmtes Alter erreicht hat. Sie wird in sog. Sterbetafeln[1] dargestellt. Davon ausgehend, ließe sich der Barwert von Nutzungen oder Leistungen durchaus finanzmathematisch berechnen. Aber das wäre fehlerhaft, denn dabei würde implizit unterstellt, dass die Rente eine feste Laufzeit in Höhe der durchschnittlichen Lebensdauer hat. So ist es aber nicht, denn der Berechtigte kann vor dem Ende der Lebensdauer sterben. Deshalb muss der Barwert versicherungsmathematisch berechnet werden. Dabei wird nicht nur die statistische Lebenserwartung berücksichtigt, sondern auch die Wahrscheinlichkeit, dass der Berechtigte die künftigen Rentenzahlungen erlebt.[2] In der Praxis wird der Barwert der Rente mit Hilfe von Leibrentenbarwertfaktoren berechnet, die auf den Jahresbetrag der Rente angewendet werden.

 

Rz. 3

Auch § 14 BewG regelt die Berechnung des Kapitalwerts von Nutzungen und Leistungen außerhalb eines Betriebsvermögens.

 

Rz. 4

Die ungewisse individuelle Lebensdauer bedeutet ein Risiko, das in die Bewertung einfließen muss. Denn Menschen sind risikoavers, weshalb drohende Verluste stärker ins Gewicht fallen als erwartete Gewinne.[3] In der Konsequenz verlangt das eine asymmetrische Bewertung: Der gemeine Wert aus der Sicht des Berechtigten oder eines gedachten Erwerbers ist niedriger als der gemeine Wert aus der Sicht des Verpflichteten. Im ersten Fall besteht das Risiko, dass der Berechtigte vorzeitig stirbt, im zweiten das Risiko, dass er länger lebt. Gegenläufig besteht im ersten Fall die Chance, dass der Berechtigte länger lebt, und im zweiten die Chance, dass er vorzeitig stirbt. Angesichts der Risikoaversion wird das Risiko höher eingeschätzt als die Chance.[4]

In der Praxis werden die unterschiedlichen Risiken bislang vernachlässigt, weil sie schwierig zu bewerten sind. Deshalb wird der Barwert für den Berechtigten und den Verpflichteten nach einem identischen Jahreswert versicherungsmathematisch berechnet.

[1] Die Sterbetafeln des Bundesamts für Statistik finden sich unter www.destatis.de über die Stichwörter Bevölkerung, Geburten- und Sterbefälle, Tabellen. Das Bundesamt veröffentlicht auch Versicherungsbarwerte für Leibrenten, sog. Kommutationszahlen, die auf einer jährlich oder monatlich vorschüssigen Zahlung beruhen.
[2] Siehe dazu Schneider/Stahl, Rn 33; Hagemann, S. 50 ff.
[3] Dazu Zweifel/Eisen, S. 33 ff., 47.
[4] Die Risikoaversion hat in Murphys Gesetz Ausdruck gefunden: Alles was schiefgehen kann, wird auch schiefgehen.

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