Rz. 15
Die auflösende Bedingung wirkt gem. § 5 Abs. 1 BewG umgekehrt wie die aufschiebende Bedingung. Nach § 5 Abs. 1 S. 1 BewG sind Wirtschaftsgüter, die unter einer auflösenden Bedingung erworben sind, wie unbedingt erworbene zu behandeln. Die Wirkungen des auflösend bedingten Rechtsgeschäfts treten also sofort ein, mit Eintritt der Bedingung finden sie ihr Ende. Konsequenz für die Bewertung des als unbedingt behandelten Erwerbs ist, dass die mit der auflösenden Bedingung verbundene Ungewissheit auf die Bestimmung des gemeinen Werts nicht durchschlägt; sie wird vielmehr solange außer Acht gelassen bis sie eintritt. Somit kommt weder eine niedrigere Bewertung noch der Ansatz eines besonderen (mit einer Rückstellung im handelsrechtlichen Sinne vergleichbaren) Schuldpostens in Betracht, und zwar unabhängig von der Wahrscheinlichkeit des Bedingungseintritts.
Rz. 16
Die Frage, ob eine aufschiebende oder auflösende Bedingung vorliegt und daher § 4 oder § 5 BewG anzuwenden ist, ist einzig und allein nach zivilrechtlichen Grundsätzen zu entscheiden. Die Anwendung einer wirtschaftlichen Betrachtungsweise oder eine Beurteilung anhand der angenommenen Wahrscheinlichkeit des Bedingungseintritts haben insoweit keine Berechtigung.
Rz. 17
Gemäß § 5 Abs. 1 S. 2 BewG sind die vorgenannten Grundsätze nicht anzuwenden, wenn Gegenstand der Bewertung ein Nutzungsrecht von unbestimmter Dauer ist. Denn bei dessen Bewertung wird unter Anwendung von §§ 13 Abs. 2 und 3, 14, 15 Abs. 3 BewG die Ungewissheit hinsichtlich der anzunehmenden Nutzungsdauer ausreichend berücksichtigt.
Rz. 18
Bei Eintritt der auflösenden Bedingung fällt der ursprünglich entstandene Anspruch bzw. das erlangte Eigentum an einer Sache oder Sachgesamtheit (Nachlass) weg. Die Erbschaft- bzw. Schenkungsteuerveranlagung ist gem. § 5 Abs. 2 BewG (ausschließlich) auf Antrag zu ändern und an die entsprechend veränderte Situation anzupassen. Verfahrensrechtlich handelt es sich bei dem Bedingungseintritt um ein rückwirkendes Ereignis i.S.v. § 175 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 AO, so dass selbst bestandskräftige Steuerbescheide noch geändert werden können, und zwar auch über das Ende der Festsetzungsfrist hinaus. Hinsichtlich des Umfangs der Berichtigung der ursprünglichen Steuerfestsetzung ist zu beachten, dass die bis zum Eintritt der auflösenden Bedingung bestehende Nutzungsmöglichkeit des ursprünglichen Erwerbers ihren Wert nicht verliert; der Betroffene ist daher für die Dauer seines Besitzes im Ergebnis wie ein Nießbraucher zu behandeln. Insofern ist insb. auch § 16 BewG zu beachten. Im Falle der Rückgängigmachung von Schenkungen gilt § 29 Abs. 2 ErbStG.
Rz. 19
Eine Änderung der Steuerfestsetzung erfolgt gem. § 5 Abs. 2 S. 1 BewG nur auf entsprechenden Antrag. Dieser ist nach § 5 Abs. 2 S. 2 BewG bis zum Ablauf des auf den Bedingungseintritt folgenden Jahres zu stellen. In Fällen des Zusammentreffens eines aufschiebend bedingten und eines auflösend bedingten Erwerbs ist daher insb. darauf zu achten, dass nicht nur – von Amts wegen – eine Änderung der Steuerfestsetzung hinsichtlich des nach Eintritt der aufschiebenden Bedingung zu berücksichtigenden Erwerbs erfolgt, sondern auch eine Korrektur (Steuerminderung) wegen des Eintritts der auflösenden Bedingung. Etwaige Erstattungsbeträge sind nicht zu verzinsen; die Erbschaftsteuer unterliegt nicht der Vollverzinsung (§ 233a Abs. 1 AO). Wegen weiterer Details siehe auch Kommentierung zu § 29 ErbStG.