Rz. 322
Im Rahmen der Nachversteuerung ist für die einer begünstigungsschädlichen Verfügung unterliegenden Wirtschaftsgüter jeweils deren erbschaftsteuerrechtlicher Wert nach den Verhältnissen im Zeitpunkt der Steuerentstehung zugrunde zu legen. Dies gilt auch dann, wenn bei der Veräußerung einer wesentlichen Betriebsgrundlage der Veräußerungserlös entnommen wird. Etwaige Wertsteigerungen zwischen dem Zeitpunkt des begünstigten Erwerbs und dem Zeitpunkt der Veräußerung wirken sich also erbschaftsteuerrechtlich nicht zu Lasten des Steuerpflichtigen aus. Die Nachversteuerung bleibt vielmehr auf den Wertanteil beschränkt, für den die Begünstigungen nach § 13a ErbStG in Anspruch genommen bzw. gewährt wurden. Andererseits kann sich der Steuerpflichtige aber auch nicht auf einen etwaigen Werteverzehr seit Inanspruchnahme der Verschonungen berufen.
Rz. 323
Allerdings ist im Falle von Überentnahmen i.S.v. § 13a Abs. 6 S. 1 Nr. 3 ErbStG auf den Wert der jeweiligen Entnahmen im Zeitpunkt ihrer Ausführung abzustellen. Dies gilt nicht nur für die Entnahme von Geld oder von auf Geld gerichteten Forderungen, sondern auch für die Entnahme von sonstigen (begünstigten) Wirtschaftsgütern. Deren Wert ist also – abweichend von den soeben dargestellten Regeln – auf den Stichtag der Entnahme festzustellen. Maßgeblich ist auch insoweit der sich nach ertragsteuerlichen Grundsätzen ergebende Wert.
Rz. 324
Die vorstehend skizzierten Regelungen erscheinen auf den ersten Blick sachgerecht und gegenüber dem Steuerpflichtigen auch fair. Nichtsdestotrotz bestehen im Einzelfall erhebliche Probleme bei der Umsetzung. Denn während der Wert ganzer wirtschaftlicher Einheiten (Betrieb, Teilbetrieb, Mitunternehmeranteil, Kapitalgesellschaft bzw. Kapitalgesellschaftsbeteiligung, land- und forstwirtschaftliches Vermögen) auf den Besteuerungszeitpunkt selbstverständlich festgestellt wird, gilt dies nicht zwingend für sämtliche wesentlichen Betriebsgrundlagen. Vor diesem Hintergrund und gerade auch im Hinblick darauf, dass nach dem seit dem 1.1.2009 geltenden Bewertungsrecht keine Einzelbewertung der zum begünstigten Vermögen gehörenden Wirtschaftsgüter, sondern stattdessen eine Gesamtbewertung der jeweiligen wirtschaftlichen Einheiten stattfindet, ist die geforderte Wertermittlung in der Praxis höchst problembeladen.
Rz. 325
Demgegenüber sind anteilige schädliche Verfügungen über begünstigt erworbenes Vermögen, die sich nicht auf Einzelwirtschaftsgüter, sondern auf die wirtschaftliche Einheit als solche beziehen, vergleichsweise einfach zu lösen. In diesen Bereich fallen insb. die Veräußerung von Teilen von Mitunternehmeranteilen, die entgeltliche Aufnahme eines Gesellschafters in ein bestehendes Einzelunternehmen oder vergleichbare Vorgänge. Hier wird zur Bemessung der Nachsteuer eine prozentuale Aufteilung des erbschaftsteuerlichen Wertes der betroffenen wirtschaftlichen Einheit der Nachversteuerung zugrunde zu legen sein. Dieselben Grundsätze sollten auch im Falle der Kapitalherabsetzung bei einer Kapitalgesellschaft Anwendung finden.
Rz. 326
Im Falle der Veräußerung wesentlicher Betriebsgrundlagen durch eine Kapitalgesellschaft kommt es im Übrigen ohnehin nur insoweit zu einer Nachversteuerung, wie die hierbei erzielten Veräußerungserlöse an den oder die begünstigten Anteilseigner ausgeschüttet werden. Die Bewertungsproblematik ist in diesem Bereich dieselbe wie bei Personenunternehmen. Hinzu kommt allerdings die Schwierigkeit, dass eine konkrete Zuordnung der beschlossenen bzw. durchgeführten Ausschüttungen zu konkreten Geschäftsvorfällen, etwa der Veräußerung wesentlicher Betriebsgrundlagen, mitunter gar nicht möglich ist. Vor diesem Hintergrund stellt sich die Frage, ob hier eine Nachsteuer überhaupt erhoben werden kann.
Rz. 327
Insoweit könnte man den Standpunkt einnehmen, dass alle tatsächlich erfolgten Ausschüttungen jedenfalls soweit mit begünstigungsschädlichen Veräußerungen zusammenhängen, wie sie durch deren Wert gedeckt sind. Dies würde dazu führen, dass stets eine Nachsteuerschädlichkeit anzunehmen wäre, soweit nicht (nach einer Veräußerung i.S.v. § 13a Abs. 6 S. 1 Nr. 4 S. 3 ErbStG) bis zum Ablauf der Behaltensfrist sämtliche hier in Rede stehenden Gewinne thesauriert werden.
Zutreffenderweise wird man aber davon ausgehen müssen, dass es nur bzw. erst dann zu einer Ausschüttung von Gewinnen aus der Veräußerung wesentlicher Betriebsgrundlagen kommt, wenn die insgesamt (ab dem Zeitpunkt der Steuerentstehung) erfolgten Ausschüttungen die anderweitig erzielten bzw. ausschüttbaren Gewinne (einschließlich von Gewinnvorträgen und freien Rücklagen) übersteigen.