Rz. 34

§ 14 Abs. 2 S. 1 ErbStG i.d.F. des JStG 2020[74] regelt, dass in dem Fall, in dem der Eintritt eines Ereignisses mit Wirkung für die Vergangenheit zu einer Veränderung des Werts eines früheren, in die Zusammenrechnung nach § 14 Abs. 1 ErbStG einzubeziehenden Erwerbs führt, dies auch für den späteren Erwerb als Ereignis mit Wirkung für die Vergangenheit nach § 175 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 AO (rückwirkendes Ereignis) gilt. Durch den geänderten Satz 1 wird für den Fall, dass die Steuerfestsetzung für einen Vorerwerb aufgrund eines rückwirkenden Ereignisses i.S.d. § 175 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 AO geändert wird, im Ergebnis prinzipiell (wieder) eine Gleichstellung von mehreren Erwerben im 10-Jahreszeitraum mit einem einheitlichen Erwerb auch bei einer nach § 175 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 AO geänderten Steuerfestsetzung für den Vorerwerb erreicht. Der geänderte § 14 Abs. 2 S. 2 ErbStG stellt sicher, dass der erstmalige Erlass, die Änderung und die Aufhebung einer Steuerfestsetzung für einen Vorerwerb als rückwirkendes Ereignis i.S.d. § 175 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 AO für die Steuerfestsetzung des nachfolgenden Erwerbs gelten und in solchen Fällen die Steuerfestsetzung für den Nacherwerb zutreffend geändert werden kann.[75]

Bestimmte Nachsteuervorbehalte (vgl. z.B. § 13 Abs. 1 Nr. 4b S. 5, Nr. 4c S. 5, Nr. 16b S. 2, Nr. 18 S. 2, § 13a Abs. 6 S. 1, § 13c Abs. 2 S. 1, § 19a Abs. 5 S. 1, § 28a Abs. 4 ErbStG) können zu einer Änderung der Steuerfestsetzung auch für einen späteren Erwerb führen. Nach § 13a Abs. 7 (früher Abs. 5 u. 6) ErbStG ist der Ablauf der Festsetzungsfrist für die Änderung oder auch den erstmaligen Erlass eines Bescheides wegen Verstoßes gegen die Lohnsummenvoraussetzungen sowie gegen die Behaltensfristen auf den Ablauf des vierten Jahres, nachdem die Finanzbehörde vom teilweisen bzw. völligen Wegfall der Befreiungsvorschrift Kenntnis erlangt hat, hinausgeschoben. Damit kann ein ErbSt-/Schenkungsteuerbescheid, in dem eine Verschonung des Betriebsvermögens gewährt worden ist, rückwirkend bis über 10 Jahre korrigiert werden. In derartigen Fällen würde die Zusammenrechnung mit einem späteren Erwerb möglicherweise daran scheitern, dass die Steuerfestsetzung für den späteren Erwerb schon verjährt wäre. § 14 Abs. 2 ErbStG regelt deshalb, dass die Festsetzungsfrist für die Änderung des Bescheids für den späteren Erwerb nicht vor Ablauf der Festsetzungsfrist für den früheren Erwerb endet. Damit kann der Bescheid für den späteren Erwerb noch geändert werden, wenn dem späteren Erwerb im Rahmen des § 14 Abs. 1 ErbStG ein früherer Erwerb hinzuzurechnen ist oder war und der Wert des früheren Erwerbs sich durch Eintritt eines Ereignisses mit steuerlicher Rückwirkung später ändert oder geändert hat (§ 175 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 AO, R E 14.3 Abs. 2 ErbStR 2019). Die Festsetzungsfrist für den Letzterwerb endet nach § 14 Abs. 2 ErbStG nicht vor Ablauf der Festsetzungsfrist für den früheren Erwerb.

Anzumerken ist, dass nach Auffassung des BFH[76] die Änderung der Steuerfestsetzung für einen Vorerwerb kein Ereignis mit steuerlicher Wirkung für die Vergangenheit hinsichtlich der Steuerfestsetzung für einen späteren Erwerb ist. Der frühere § 14 Abs. 2 ErbStG i.d.F. des ErbStRG 2009[77] stelle nach dem klaren Wortlaut lediglich eine Regelung zur Bestimmung der Festsetzungsfrist für den späteren Erwerb. Jedenfalls für das Recht vor 2009 kann der nachfolgende Bescheid nach Ablauf der Festsetzungsfrist nicht mehr wegen einer Änderung des Bescheids für den Vorerwerb geändert werden. Für das ab 2009 geltende Recht ginge die Verlängerung der Festsetzungsfrist weitgehend ins Leere. Deshalb wurde § 14 Abs. 2 ErbStG durch das Jahressteuergesetz 2020 und eine Änderungsmöglichkeit zur Korrektur einer Steuerfestsetzung für den nachfolgenden Erwerb geschaffen.

 

Rz. 35

Auch wenn die Änderung der Steuerfestsetzung für den früheren Erwerb lediglich zu einer geänderten anrechenbaren (fiktiven oder tatsächlichen) Steuer führt, gilt nach Satz 3, dass der Letzterwerb nach § 175 Abs. 1 Nr. 2 AO geändert werden kann. Der jetzige Satz 3 entspricht inhaltlich der bisherigen Regelung in § 14 Abs. 2 S. 2 ErbStG.

[74] JStG 2020 v. 21.12.2020, BGBl I 2020, 3096 m.W.v. 29.12.2020.
[75] Mit Wirkung für diejenigen Erwerbe, für welche die Steuer nach dem Tag der Verkündung des JStG 2020 am 28.12.2020 entsteht (§ 37 Abs. 18 ErbStG n.F.). Aber auch der schon ab 1.1.2009 bis 28.12.2020 geltende Abs. 2 ließ Änderungen wegen rückwirkender Ereignisse zu; siehe Vorauflage.
[77] ErbStRG 2009 v. 24.12.2008, BGBl I 2008, 3018 m.W.v. 1.1.2009.

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