Rz. 1
Das Bürgerliche Gesetzbuch ermöglicht es dem Erblasser, Verfügungen über sein Vermögen zu treffen, wonach das Vermögen oder Teile daraus zunächst beim Vorerben anfällt und später dann nicht bei dessen Erben, sondern bei Dritten anfällt. Die Nacherbschaft ist also dadurch gekennzeichnet, dass dieselbe Erbschaft in zeitlicher Reihenfolge an verschiedene Erben geht. Vorerbe und Nacherbe sind folglich Erben desselben Erblassers. Das dem Vorerben angefallene Vermögen bildet bei diesem ein zivilrechtliches Sondervermögen, welches von seinem sonstigen Vermögen rechtlich getrennt ist, wobei er aber bis zum Ende der Vorerbschaft das Nutzungsrecht daran hat. Gerade im Rahmen von gemeinschaftlichen Testamenten von Eheleuten ist dabei die Einschränkung des überlebenden Ehegatten zu beachten, die sich durch die Vor- und Nacherbeneinsetzung ergibt. In der zivilrechtlichen Praxis bereitet die Abgrenzung zu einem Nießbrauchsvermächtnis immer wieder Schwierigkeiten, die im Wege der Auslegung zu lösen sind. Die Rechtsprechung und h.M. nimmt in der Praxis an, dass eine Nacherbschaft angeordnet wurde, wenn der Erblasser wollte, dass der Bedachte neben dem Nutzungsrecht auch das Recht zur Verfügung über den Nachlass gewähren wollte. Der Vorerbe hat also weit umfassendere Rechte als der Nießbraucher, dem nur die Nutzung des Vermögens, welches vom Nießbrauchsrecht umfasst ist, erlaubt wird, nicht aber die Verwertung. Tatsächlich ist die Abgrenzung in der Praxis immer wieder schwierig, gerade für den Fall, dass der Vorerbe in seiner Dispositionsfreiheit durch den Erblasser sehr eingeschränkt wird. Der Nacherbe hat während der Dauer der Vorerbschaft lediglich Auskunfts- und Sicherungsrechte nach §§ 2116, 2121, 2122, 2123, 2127, 2128 BGB.
Der Vorerbe ist jedoch nach § 2111 BGB verpflichtet, die Substanz des angefallenen Nachlassvermögens für den Nacherben zu erhalten.
Rz. 2
Der Vorerbe ist unter einer auflösenden Bedingung oder bei dem Erreichen eines bestimmten Zeitpunkts als Erbe eingesetzt, der Nacherbe ist aufschiebend bedingt oder befristet eingesetzt. Sofern der Erblasser keine Bestimmung vorgenommen hat, durch den Eintritt welchen Ereignisses die Nacherbschaft eintreten soll, regelt § 2106 BGB, dass erst mit dem Tod des Vorerben die Nacherbschaft anfällt. Bei § 2106 Abs. 1 BGB handelt es sich also um eine Ergänzungsregelung, die es ermöglicht, unvollständige Regelungen hinsichtlich einer Vor- und Nacherbschaftseinsetzung zu ergänzen und damit wirksam zu halten.
Rz. 3
In § 2104 BGB ist eine Ergänzungsregelung enthalten, wonach sich für den Fall, dass ein Erblasser keinen Nacherben ausdrücklich benannt hat und ein solcher sich auch nicht durch Auslegung ermitteln lässt, im Zweifel die gesetzlichen Erben als Nacherben anzunehmen sind. Man bezeichnet dies als sog. konstruktive Nacherbfolge. Eine entsprechende Regelung ist in § 2105 BGB für den Fall enthalten, dass der Erblasser Vor- und Nacherbschaft angeordnet hat, aber den Vorerben nicht ausdrücklich bezeichnet hat. Auch für diesen Fall sind die gesetzlichen Erben als Vorerben anzunehmen. Dies bezeichnet man als sog. konstruktive Vorerbschaft.
Die Nacherbschaft kann entweder durch Testament oder Erbvertrag angeordnet werden.
Rz. 4
Der Erblasser kann auch für mehrere Erben eine Vor- und Nacherbschaft anordnen, die Vorerben bilden dann eine Erbengemeinschaft. Die Nacherben bilden erst nach Anfall der Nacherbschaft eine Erbengemeinschaft; während der Dauer der Vorerbschaft bilden sie noch keine Erbengemeinschaft, da noch kein gemeinschaftlich angefallenes Vermögen i.S.v. § 2032 BGB vorhanden ist.
Nimmt der Erblasser keine eindeutige Ersatzerbeneinsetzung i.S.v. § 2096 BGB vor, so konkurriert § 2102 Abs. 1 BGB mit § 2069 BGB, wonach eine vermutete Ersatznacherbfolge angenommen werden kann. In der Praxis ist durch Auslegung zu ermitteln, was der Erblasser gewollt haben könnte. Für die Gestaltungspraxis ist darauf zu achten, dass der künftige Erblasser eine klare Ersatzerbeneinsetzung sowohl für den Vorerben als auch den Nacherben trifft.