Rz. 28
Mit dem Tod des Vorerben erlischt dessen Recht am Nachlass. Der Nachlass geht nach § 2139 BGB im Wege der Rechtsnachfolge vollständig auf den Nacherben über. Er ist nun Rechtsnachfolger des Erblassers, welcher zuvor der Vorerbe war. Zu beachten ist, dass der dem Vorerben erteilte Erbschein nun unwirksam geworden und einzuziehen ist. Der Nacherbe hat nun ein eigenes Antragsrecht und bedarf auch eines neuen Erbscheins. Das Erbschaftsteuergesetz legt aber für die Besteuerung des Nacherben dessen Verhältnis zum Vorerben zugrunde, § 6 Abs. 2 S. 1 ErbStG. Nur auf Antrag nach § 6 Abs. 2 S. 2 ErbStG kann der Nacherbe erreichen, dass für die Besteuerung sein Verhältnis zum Erblasser zugrunde gelegt wird. Es ist also in der Praxis eine Vergleichsrechnung dahin vorzunehmen, welches Verhältnis günstiger und damit für die Besteuerung zugrunde zu legen ist. Dann muss mit der Steuererklärung die Antragstellung, welches Verhältnis für den Nacherben zugrunde gelegt werden soll, erfolgen. Einer gesonderten Begründung des Antrages bedarf es nicht, das Finanzamt hat dem Antrag zu folgen.
Rz. 29
Von der Rechtsprechung noch nicht abschließend geklärt ist die Frage, was von § 6 Abs. 2 S. 2 ErbStG tatsächlich für eine Wirkung ausgeht. Hat die Antragstellung, wonach nicht das Verhältnis zum Vorerben, sondern zum Erblasser zugrunde gelegt werden soll, nur zur Folge, dass sich die Steuerklassen, Freibeträge und Steuertarife ändern, oder wird insgesamt das Verhältnis zum Erblasser für alle weiteren steuerrechtlichen Anknüpfungspunkte zugrunde gelegt? Ein Teil der Literatur nimmt an, dass der Antrag nach § 6 Abs. 2 S. 2 ErbStG nur zur Folge hat, dass sich durch das Zugrundelegen des Verhältnisses Nacherbe zum Erblasser nur die Steuerklasse, der Freibetrag und der Steuersatz ändern. Da § 6 Abs. 2 S. 2 ErbStG von der Versteuerung spricht, der auf Antrag das Verhältnis Nacherbe zum Erblasser zugrunde gelegt werden kann, stellte sich in der Vergangenheit die Frage, ob darunter mehr zu verstehen sei als lediglich die Anwendung der entsprechenden Steuerklassen, Freibeträge und Steuertarife. Der BFH hat dem endgültig eine Absage erteilt; es ist davon auszugehen, dass der Antrag lediglich auf die Steuerklasse eine Auswirkung hat und keine weitergehende.
Auf Antrag Versteuerung nach dem Verhältnis Nacherbe zum Erblasser gem. § 6 Abs. 2 S. 2 ErbStG
Rz. 30
Der Nacherbe, der in Erwartung der späteren Nacherbfolge bereits zu Lebzeiten des Vorerben Baumaßnahmen auf einem Grundstück vorgenommen hat, welches dem Nachlassvermögen zugehörig war, kann die Aufwendungen, die er dafür geleistet hat, bereicherungsmindernd in Ansatz bringen. § 10 Abs. 1 S. 1 ErbStG schließt beim Nacherben die steuerliche Erfassung von Vermögenswerten aus, die er selbst durch Baumaßnahmen auf einem nachlasszugehörigen Grundstück zu Lebzeiten des Vorerben in Erwartung der Nacherbfolge geschaffen hat. Die Bereicherung des Nacherben mindert sich um den Betrag, um den die von ihm durchgeführten Baumaßnahmen den Grundbesitzwert erhöht haben.
Rz. 31
Das gemeinschaftliche Testament oder der Erbvertrag, durch den sich Eheleute gegenseitig als Erben und einen Verwandten als Schlusserben eingesetzt haben, ist nach § 6 Abs. 2 i.V.m. § 15 Abs. 3 ErbStG zu beurteilen.
Haben sich Ehegatten durch gemeinschaftliches Testament oder Erbvertrag gegenseitig als Erben und Verwandte als Schlusserben eingesetzt, ist das beim Tod des länger lebenden Ehegatten dem Wert nach noch vorhandene Vermögen des zuerst verstorbenen Ehegatten im Rahmen der Bindungswirkung der getroffenen Verfügungen erbschaftsteuerrechtlich nach § 15 Abs. 3 ErbStG vorrangig und ohne weitere Quotelung den mit dem Erstverstorbenen näher verwandten Schlusserben zuzuordnen.
Bei der Prüfung, inwieweit beim Tod des zuletzt verstorbenen Ehegatten noch Vermögen des anderen Ehegatten i.S.d. § 15 Abs. 3 S. 1 ErbStG vorhanden ist, kommt es nicht auf die einzelnen Vermögensgegenstände, sondern lediglich auf den Gesamtwert des Vermögens an. Der Begriff "Vermögen" umschreibt regelmäßig eine Gesamtheit geldwerter Gegenstände. Die erbschaftsteuerrechtliche Stellung des Schlusserben ist auch insoweit derjenigen eines Nacherben angenähert, § 2111 BGB.
Rz. 32
Nach § 6 Abs. 2 S. 3–5 ErbStG werden die beiden Nachlassteile, die ein Nacherbe erwirbt, wenn er auch Erbe des weiteren freien Vermögens des Vorerben (Eigenvermögen) wird, zusammengezählt und als steuerrechtliche Gesamtvermögensmasse angenommen. Das ursprünglich beim Vorerben auf das Ableben des Erblassers vorhandene Sondervermögen wird in dem Moment, wo der Vorerbe verstirbt und der Nacherbe auch Erbe des Vorerben wird, mit dessen eigenem freien Vermögen steuerrechtlich als einheitliche Vermögensmasse erfasst.
Rz. 33
Die Steuerberechnung hat nach § 6 Abs. 2 S. 5 ErbStG für jeden Erwerb gesondert zu erfolgen. Verfahrensrechtlich handelt es sich bei dem Nacherben um einen einheitlichen Erwerb. Die Regelung von § 6 Abs. 2 S. 3 ErbStG sieht vor, dass die beiden Ver...