Gerhard Sievert, Ulrich Gohlisch
Rz. 5
In den Fällen, in denen Vergleichsobjekte und somit auch direkte Vergleichspreise fehlen, besteht die Möglichkeit der Heranziehung von sog. Vergleichsfaktoren (§ 183 Abs. 2 S. 1 BewG). Diese werden von den Gutachterausschüssen für geeignete Bezugseinheiten, insbesondere Flächeneinheiten des Gebäudes, ermittelt und mitgeteilt. Diese Vergleichsfaktoren sind mitunter noch durch Korrekturfaktoren anzupassen. Sie nehmen Bezug auf ein Referenzobjekt, welches signifikante Merkmale und deren Ausprägungen beinhaltet. Der Ausgangswert (Bezugseinheit) wird vom Gutachterausschuss in Abhängigkeit des Alters und des Bodenrichtwerts vor Zu- und Abschlägen festgelegt. Auf diesen werden die Korrekturfaktoren multipliziert. Im Ergebnis erhält man einen Wohnflächenpreis, der, multipliziert mit der Wohnfläche, den Gesamtwert ergibt. So werden z.B. bei nicht identischen, aber gleichartig bebauten Ein- und Zweifamilienhausgrundstücken zum Teil aus gezahlten Kaufpreisen Vergleichsfaktoren abgeleitet. Die Kaufpreise werden als Datenmaterial in einer Kaufpreissammlung schriftlich fixiert, woraus die Auswirkung für das Verhältnis Kaufpreis/Wohnfläche abgeleitet wird. Im Grundstücksmarktbericht finden sich dann sowohl Angaben zum Referenzobjekt als auch zu den Vergleichs- und Korrekturfaktoren, z.B. abweichende Wohnfläche, abweichende Grundstücksgröße sowie bauliche Maßnahmen, Unterkellerung und Ausstattung (z.B. einfache anstelle mittlerer Ausstattung). Wenn der Gebäudewert aufgrund fehlender Vergleichspreise aus Vergleichsfaktoren ermittelt wird, ist ggf. noch zusätzlich der Bodenwert anzusetzen. Wurden vom örtlichen Gutachterausschuss Vergleichsfaktoren in Spannen veröffentlicht und hierzu Differenzierungsmerkmale ausgewiesen, muss der entsprechend differenzierte Wert aus der Spanne zugrunde gelegt werden. Anderenfalls ist nicht der Mittelwert, sondern der unterste Wert der Spanne anzusetzen. Gibt der Gutachterausschuss den Vergleichsfaktor als festen Wert mit Standardabweichungen nach oben und unten, ist dies kein Vergleichsfaktor in Spannen. In diesem Fall ist der vorgegebene Wert anzusetzen. Mit dem Grundsteuerreform-Umsetzungsgesetz (GrStRefUG) vom 16.7.2021 ist eine Präzisierung der Vorschrift in Verbindung mit § 177 Abs. 2 BewG vorgenommen worden bezüglich des zeitlichen Anwendungsbereichs der von den Gutachterausschüssen abgeleiteten Vergleichsfaktoren. Hierdurch soll eine sach- und praxisgerechte Anwendung der sonstigen für die Wertermittlung erforderlichen Daten der Gutachterausschüsse sichergestellt werden. Es sollen jeweils die Daten der Gutachterausschüsse herangezogen werden, die für den letzten Auswertungszeitraum abgeleitet werden, der vor dem Kalenderjahr endet, in dem der Bewertungsstichtag liegt.
Beispiel für einen Bewertungsstichtag (§§ 9, 11 ErbStG), der in 2020 liegt
Es liegen Daten des Gutachterausschusses wie folgt vor:
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Grundstücksmarktbericht 2018 mit dem Auswertungszeitraum 2017/2018 |
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Grundstücksmarktbericht 2019 mit dem Auswertungszeitraum 2018/2019 |
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Grundstücksmarktbericht 2020 mit dem Auswertungszeitraum 2019/2020 |
Es sind bei der Bewertung die Daten aus dem Grundstücksmarktbericht 2019 heranzuziehen.
Sollten in dem obigen Beispiel für einen Bewertungsstichtag in 2020 lediglich Daten des Gutachterausschusses vorliegen, die den Auswertungszeitraum 2016/2017 umfassen, können diese folglich nicht mehr als geeignet angesehen werden und der Bewertung sind die gesetzlichen Bewertungsparameter zugrunde zu legen. Anders als in § 196 Abs. 1 S. 3, Abs. 3 S. 1 BauGB manifestiert, wonach die Gutachterausschüsse mindestens alle zwei Jahre Bodenrichtwerte zu ermitteln, zu veröffentlichen und dem zuständigen Finanzamt mitzuteilen haben, gilt diese Vorgehensweise nicht für die sonstigen für die Wertermittlung erforderlichen Daten wie Vergleichsfaktoren. Mit der Begrenzung der zeitlichen Anwendungsdauer weiter zurückliegender Daten wird verhindert, dass diese "alten", für die Wertermittlung erforderlichen sonstigen Daten, deren Geeignetheit für eine aktuelle Bewertung nicht mehr sichergestellt werden kann, sich in der typisierten bewertungsrechtlichen Wertfindung festsetzen und in der Konsequenz keine relations- und realitätsgerechte Bewertung mit dem Bewertungsmaßstab "gemeiner Wert" sicherstellen.