Rz. 10
Unabhängig davon, ob Erblasser oder Schenker Inländer sind, sind nach § 35 Abs. 2 Nr. 1 ErbStG immer die Verhältnisse des Erwerbers maßgeblich, wenn eine Schenkung unter Lebenden oder eine Zweckzuwendung gegenüber einer Körperschaft, einer Personenvereinigung oder einer Vermögensmasse erfolgt. Mit Blick auf ggf. in Betracht kommende Steuerbefreiungsvorschriften (§ 13 Abs. 1 Nr. 15–18 ErbStG) mag es sachgerecht sein, die Besteuerung wegen der größeren Sachnähe am Ort der Geschäftsleitung der erwerbenden Institution (§ 10 AO) durchzuführen, da der Erwerbsgegenstand im Zeitpunkt der Besteuerung dem Erwerber zuzurechnen ist. Die Verhältnisse des Erblassers oder Schenkers sind in diesen Fällen stets irrelevant.
Rz. 11
Sind Erblasser oder Schenker keine Inländer im Sinne des § 2 Abs. 1 S. 2 ErbStG, fällt das Vermögen aber einem Inländer zu, so richtet sich die örtliche Zuständigkeit nach den Verhältnissen des Erwerbers (§ 35 Abs. 2 Nr. 2 ErbStG). Anders ist es nach § 35 Abs. 1 S. 2 ErbStG dann, wenn der Erblasser oder Schenker beim Erwerb den Wohnsitz noch keine fünf Jahre ins Ausland verlegt hatte. In diesem Fall richtet sich die örtliche Zuständigkeit nach dem letzten inländischen Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt des Erblassers oder Schenkers. Befinden sich im Inland mehrere Erwerber (vgl. § 2 Abs. 1 Nr. 1 Alt. 3 ErbStG), so ist dem Gedanken des § 25 AO folgend das Finanzamt zuständig, das zunächst mit der Sache befasst wird. Abweichende Zuständigkeitsvereinbarungen oder -bestimmungen sind nur nach Maßgabe des § 27 AO mit Zustimmung des oder der Erwerber denkbar. Eine nachträgliche Übernahme des Steuerfalles, um die örtliche Zuständigkeit nach dem wertmäßig größten Vermögensanfall auszurichten, ist jedoch unzulässig. Ein Instrument, um mit Blick auf die von der örtlichen Zuständigkeit abhängige Gläubigerstellung die Steuer dem Land zuzugestehen, in dem der größte Vermögensteil anfällt, fehlt, so dass Zuständigkeitsstreitigkeiten zwischen den Bundesländern vorprogrammiert sind.
Rz. 12
Die Befassung wird regelmäßig durch die Anzeigen diplomatischer Auslandsstellen nach § 34 Abs. 2 Nr. 3 ErbStG erfolgen, die über das Bundesfinanzministerium an die Erbschaftsteuerstellen verteilt werden. Obgleich die Europäischen Nachlasszeugnisse nach § 34 Abs. 2 Nr. 2 ErbStG anzeigepflichtig sind, trifft wegen des Territorialitätsprinzips nur inländische Gerichte diese Pflicht, so dass im Ausland ausgestellte Zeugnisse nicht mitzuteilen sind. Allerdings werden im Ausland ausgestellte Europäische Nachlasszeugnisse nach § 34 Abs. 1 ErbStG anzuzeigen sein, wenn unter Vorlage eines solchen z.B. die Umschreibung inländischen Grundbesitzes beantragt wird. Inhalt eines Europäischen Nachlasszeugnisses ist nicht die Mitteilung des letzten Wohnsitzes, sondern nur des letzten gewöhnlichen Aufenthaltes (Art. 65 Abs. 3 EU-ErbVO), der jedoch nicht der Definition des § 9 AO entspricht, sondern einer eigenen Begrifflichkeit folgt. Danach handelt es sich um einen Daseinsmittelpunkt, also um einen faktischen Wohnsitz, der auch durch zeitweilige Abwesenheit bei Rückkehrwillen nicht aufgehoben wird, sofern dadurch der Schwerpunkt der Bindungen der Person nicht verändert wird. Daher kann der im Europäischen Nachlasszeugnis ausgewiesene Aufenthalt des Erblassers nicht ohne weiteres zur Bewertung der örtlichen Zuständigkeit nach § 35 ErbStG übernommen werden. Unterschiede zwischen den Begrifflichkeiten sind in Fällen denkbar, in denen der Erblasser mehrere Wohnsitze hatte, er sich aus beruflichen Gründen in ein anderes Land begeben hat oder seinen Lebensabend im Ausland verbringen will. Von entscheidender Bedeutung auch für die Anwendung des § 35 ErbStG ist aber, dass die in Art. 22 EU-ErbVO vorgesehene Rechtswahl zwischen dem Recht des Geburtslandes und des Landes des letzten Aufenthaltes nach Art. 1 Abs. 2 EU-ErbVO nicht das Steuerrecht umfasst.