Rz. 35

Die Regelung des § 6 Abs. 3 ErbStG erfasst sämtliche Fälle, in denen die Nacherbschaft nicht mit dem Tod des Vorerben anfällt, sondern bspw. durch die Wiederverheiratung des Vorerben, die Geburt eines Kindes, die Erreichung der Volljährigkeit des Nacherben oder durch Kinderlosigkeit. Der Nacherbe kann also unter einer Bedingung oder einer Befristung eingesetzt werden, was dann mit Eintritt der Bedingung oder durch Zeitablauf zum Eintritt des Nacherbfalls zu Lebzeiten des Vorerben führen kann.[58] Im Unterschied zum Nacherbfall, der durch den Tod des Vorerben eintritt, sieht § 6 Abs. 3 S. 1 ErbStG den Vorerben nicht als Vollerben an, sondern die Stellung des Vorerben ist auflösend bedingt. Denn in § 6 Abs. 3 S. 2 wird durch die Anrechnungsbestimmung deutlich, dass der Vorerbe nur zeitlich begrenzt bis zum Eintritt des Nacherbfalls zu seinen Lebzeiten Rechtsnachfolger des Erblassers war.[59] Richtigerweise hat die Rechtsprechung angenommen, dass lediglich ein Erwerb des Nacherben vom Erblasser anzunehmen ist, da die Rechtsstellung des Vorerben nur eine vorübergehende ist.[60] Anders als nach § 6 Abs. 2 S. 2 ErbStG hat der Nacherbe also kein Wahlrecht, da der Anfall des Nachlasses vom Erblasser erfolgt. Die Steueranrechnung nach § 6 Abs. 3 S. 2 ErbStG erfolgt nur bis zur Höhe der tatsächlich vom Nacherben zu entrichtenden Steuer. Hat also der Vorerbe eine höhere Steuer bezahlt, findet die Entlastung nur bis zur Höhe der vom Nacherben zu bezahlenden Steuer statt. In diesem Fall wird also ein Mehr an Belastung, die beim Vorerben stattgefunden hat, nicht vollständig berücksichtigt. Steuern, die von den Erben des Vorerben entrichtet wurden, werden nicht angerechnet, nur die Steuern, die vom Vorerben selbst entrichtet wurden.[61] Für die Frage, auf welchen Zeitpunkt für die Ermittlung der Steuern abzustellen ist, muss auf den Zeitpunkt des Anfalls der Vorerbschaft abgestellt werden, § 10 Abs. 1 ErbStG.

 

Rz. 36

Die Steuer des Vorerben (der Abkömmlinge) dürfte sich für den Fall, dass sich eine selbstgenutzte Immobilie des Erblassers im Nachlass befindet, nachträglich erhöhen, wenn diese Immobilie zunächst nach § 13 Abs. 4c ErbStG steuerfrei erworben wurde, die Vorerbschaft aber zeitlich befristet ist und vor Ablauf der 10-Jahresfrist endet.[62]

[58] Grüneberg/Weidlich, § 2100 Rn 7.
[59] Meincke, § 6 Rn 18 ff.
[60] BFH v. 10.5.1972, BStBl II 1972, 765.
[61] Meincke/Hannes/Holtz, § 6 Rn 21.
[62] Halaczinsky/Riedel, Rn 97.

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