Rz. 28

§ 2 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG regelt – anders als die Überschrift erwarten lässt – nicht die persönliche Steuerpflicht insgesamt. Vielmehr geht es im Wesentlichen um die Frage, ob und inwieweit Nachlass- bzw. Erwerbsgegenstände, die über das Inlandsvermögen i.S.v. § 121 BewG hinausgehen, der Besteuerung unterliegen. Die für die persönliche Steuerpflicht ebenfalls nicht gerade unwesentliche Frage, wer überhaupt Steuerschuldner ist, wird in § 2 ErbStG aber nicht beantwortet, sie ist vielmehr in § 20 ErbStG geregelt.

 

Rz. 29

§ 2 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG regelt die unbeschränkte Erbschaftsteuerpflicht. Liegen die Voraussetzungen vor, unterliegt der gesamte Erwerb der Erbschaftsteuer.[72] Insoweit nennt § 2 Abs. 1 Nr. 1 S. 1 ErbStG zwei Personen, an deren Inländereigenschaft die unbeschränkte Erbschaftsteuerpflicht anknüpft, zum einen den Erblasser bzw. den Schenker, zum anderen den Erwerber. Vorrangig ist an den Erblasser bzw. den Schenker anzuknüpfen. Handelt es sich bei ihm um einen Inländer, unterliegt tatsächlich der gesamte Erbanfall bzw. die gesamte Schenkung einheitlich der deutschen Erbschaftsbesteuerung, und zwar vollkommen unabhängig davon, wie viele Erwerber vorhanden sind, ob es sich bei diesen um Inländer handelt oder wo das übergegangene Vermögen belegen ist.

 

Rz. 30

Ist der Erblasser bzw. der Schenker kein Inländer, muss auch der jeweilige Erwerber mit in die Prüfung einbezogen werden. Bei mehreren Erwerbern hat diese Prüfung jeweils getrennt und individuell für jeden Einzelnen zu erfolgen. Auch für den Fall, dass (nur) der Erwerber Inländer i.S.v. § 2 Abs. 1 Nr. 1 S. 2 ErbStG ist, sieht das Gesetz vor, dass der "gesamte Vermögensanfall" der deutschen (unbeschränkten) Erbschaftsteuerpflicht unterliegt. Allerdings bezieht sich der Begriff "gesamter Vermögensanfall" hier allein auf den jeweiligen Erwerber, nicht jedoch zwingend auf den gesamten von demselben Erblasser/Schenker stammenden Vermögensübergang. Fallen Teile hiervon anderen Erwerbern an, die keine Inländer i.S.v. § 2 Abs. 1 Nr. 1 S. 2 ErbStG sind, besteht insoweit keine unbeschränkte Erbschaftsteuerpflicht.

 

Rz. 31

Die im Gesetz verwendete Formulierung "gesamter Vermögensanfall" greift also bei einem inländischen Erblasser bzw. Schenker deutlich weiter als in solchen Fällen, in denen nur ein Erwerber Inländer ist.[73]

 

Rz. 32

Da die unbeschränkte Erbschaftsteuerpflicht sich nach § 2 Abs. 1 Nr. 1 S. 1 ErbStG auf den gesamten – vom jeweiligen Erblasser/Schenker stammenden bzw. dem jeweiligen Erwerber zukommenden – Vermögensanfall erstreckt, geht die herrschende Meinung davon aus, dass grds. auch Erwerbe nach ausländischem Recht dem deutschen ErbStG unterliegen können.[74] Soweit also wegen der Inländereigenschaft eines Beteiligten (Erblasser/Schenker oder Erwerber) das Bestehen der persönlichen Steuerpflicht anzunehmen ist, muss im Rahmen der §§ 3 bzw. 7 ErbStG weiter geprüft werden, ob und inwieweit steuerpflichtige Erwerbe verwirklicht sind.

[72] "Sämtliches in- und ausländisches Vermögen", vgl. R E 2.1 Abs. 1 S. 3 ErbStR 2019.
[73] Noll, DStZ 1995, 713; Jülicher, in: Troll/Gebel/Jülicher/Gottschalk, ErbStG, § 2 Rn 7.
[74] BFH v. 2.2.1977 – II R 150/71, BStBl II 1977, 425; FG München v. 21.10.1996, UVR 1997, 335, 336, rkr.; Jülicher, in: Troll/Gebel/Jülicher/Gottschalk, ErbStG, § 2 Rn 3.

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