Rz. 61
Liegen die persönlichen Voraussetzungen bei dem beschränkt Steuerpflichtigen vor, hat er die Möglichkeit, nach § 2 Abs. 3 S. 1 ErbStG das ihm zustehende Wahlrecht dahingehend auszuüben, dass sein eigentlich nur beschränkt steuerpflichtiger Vermögensanfall insgesamt als unbeschränkt steuerpflichtig behandelt wird. Das führt dazu, dass sämtliches (durch den Optierenden) von demselben Erblasser von Todes wegen erworbenes Vermögen bzw. sämtliches im Rahmen derselben Schenkung zugewendetes Vermögen der Besteuerung nach dem ErbStG unterliegt ("Welterwerb"). Eine Beschränkung auf das Inlandsvermögen i.S.v. § 121 BewG findet in diesem Fall nicht statt (auch nicht hinsichtlich etwa abzuziehender Schulden). Gleichzeitig richtet sich der persönliche Freibetrag des Erwerbers nach § 16 Abs. 1 ErbStG und nicht nach § 16 Abs. 2 ErbStG; ggf. kann auch der Versorgungsfreibetrag nach § 17 ErbStG greifen. Außerdem ist auch eine Anrechnung im Ausland etwa (auf denselben Erwerb) anfallender bzw. gezahlter Erbschaft- bzw. Schenkungsteuern nach § 21 ErbStG möglich, wobei insoweit der weite Auslandsvermögensbegriff nach § 21 Abs. 2 Nr. 2 ErbStG gilt. Denn eine Inländereigenschaft des Zuwendenden wird durch die Wahlrechtsausübung nicht fingiert. Aus diesem Grund kann durch die Wahlrechtsausübung auch keine an den (tatsächlichen) Wohnsitz des Erblassers anknüpfende Abkommensberechtigung erreicht werden.
Rz. 62
Darüber hinaus regelt der § 2 Abs. 3 ErbStG, dass die unbeschränkte Steuerpflicht nicht allein im Hinblick auf den wahlrechtsauslösenden Vorgang anzuwenden ist, sondern vielmehr auch auf alle anderen innerhalb von zehn Jahren nach diesem Vermögensanfall von derselben Person anfallende Erwerbe, die demzufolge auch nach § 14 ErbStG zusammenzurechnen sind. Auf diese Weise wird vermieden, dass durch eine entsprechende Aufteilung lebzeitiger Zuwendungen eine niedrigere Besteuerung erreicht werden kann, als dies bei bestehender (originärer) unbeschränkter Steuerpflicht möglich wäre. Vor diesem Hintergrund wäre es inkonsequent und gleichheitswidrig, wenn auch die Fälle, in denen eine beschränkte Steuerpflicht besteht und in denen nur der Erwerb einzelner Vermögensgegenstände der Besteuerung unterliegt, hinsichtlich der Gewährung von Freibeträgen ebenso behandelt würden wie die Besteuerung des gesamten Vermögensanfalls (bzgl. des Weltvermögens). Daher muss sich der Erwerber im Falle der Option zur fiktiven unbeschränkten Steuerpflicht vollständig den Regelungen der unbeschränkten Steuerpflicht unterwerfen.
Gleichzeitig soll sichergestellt werden, dass auch aus der Aufspaltung von Schenkungen keine steuerlichen Vorteile gezogen werden können. Die Regeln des § 14 ErbStG müssen daher auch in Fällen des § 2 Abs. 3 ErbStG vollumfänglich anwendbar sein. Das hat zur Folge, dass im Falle der Optionsausübung auch die zurückliegenden Erwerbe der unbeschränkten Steuerpflicht unterliegen. Die Antragstellung gilt insoweit als rückwirkendes Ereignis i.S.v. § 175 Abs. 1 S. 1 AO, so dass eine Änderung entsprechender früherer Steuerbescheide in jedem Fall möglich ist.
Rz. 63
Da aufgrund der Wahlrechtsausübung (hin zur fiktiven unbeschränkten Steuerpflicht) auch bereits zurückliegende Vermögenserwerbe – sozusagen rückwirkend – der unbeschränkten Steuerpflicht unterworfen werden, sieht § 2 Abs. 3 S. 3 ErbStG vor, dass die Festsetzungsfrist für innerhalb von zehn Jahren vor der Zuwendung, derentwegen das Wahlrecht ausgeübt wird, nicht vor Ablauf des vierten Jahres nach Antragstellung abläuft. Maßgeblich für den Beginn des Fristlaufs ist der Zeitpunkt, in dem die Finanzbehörde von dem entsprechenden Antrag Kenntnis erlangt. Dies sollte regelmäßig der Eingang des Antrags beim zuständigen Finanzamt sein. Die örtliche Finanzamts-Zuständigkeit soll sich danach richten, wo das der Besteuerung unterliegende inländische Vermögen (ggf. dessen wertvollster Teil) belegen ist. Im Falle einer Zusammenrechnung mit früheren Erwerben können mehrfache Zuständigkeiten begründet sein, nämlich im Zweifel für jeden einzelnen Erwerb nach der Belegenheit des jeweiligen Erwerbsgegenstands. An dieser Zuständigkeit ändert sich durch die Antragstellung nichts; die für frühere Erwerbe zuständigen Finanzämter sind jedoch von der Antragstellung in Kenntnis zu setzen. Im Übrigen bestehen für den Antragsteller im Hinblick auf den Auslandsbezug der Angelegenheit nach § 90 Abs. 2 AO erhöhte Mitwirkungspflichten sowie eine erweiterte Anzeigepflicht nach § 30 Abs. 1 ErbStG.
Rz. 64
Nach dem Gesetzeswortlaut ist der Antrag weder an eine bestimmte Form noch an eine bestimmte Frist gebunden. In Hinblick auf die an Steuergesetze grundsätzlich zu stellenden Bestimmtheitsanforderungen dürfte hieraus wohl zu schließen sein, dass die Einhaltung einer bestimmten Form nicht verlangt werden kann; der Antrag wird daher – jedenfalls theoretisch – auch mündlich gestellt werden können. Die Antragstellung ist bis zum Eintritt der Bestandskraft des E...