Rz. 9
Inhaltlich können durch Einspruch gegen den Feststellungsbescheid nur Rechtsfehler gerügt werden, die der gesonderten Rechtskraft nach § 157 Abs. 2 AO fähig sind (siehe § 151 BewG Rdn 20), also im Feststellungsbescheid mit bindender Wirkung für den Folgebescheid festgestellt wurden. Dies ist nur dann der Fall, wenn der Inhalt des Feststellungsbescheides für den Folgebescheid verbindlich ist (§§ 182 Abs. 1, 351 Abs. 2 AO). Trifft die abschließende steuerrechtliche Würdigung die Erbschaftsteuerstelle, müssen die Einwände gegen die Richtigkeit des Bescheides durch Einspruch gegen die Steuerfestsetzung selbst geltend gemacht werden. Dies gilt auch dann, wenn die Entscheidung der Erbschaftsteuerstelle auf Angaben beruht, die das Feststellungsfinanzamt nachrichtlich mitgeteilt hat.
Beispiel
Im Rahmen der Bewertung eines Einfamilienhauses teilt das Lagefinanzamt mit, dass das vom Erblasser bewohnte Familienheim 250 qm groß ist. Bei der Erbschaftsteuerfestsetzung den Sohn des Erblassers betreffend werden 200 qm nach § 13 Abs. 1 Nr. 4c ErbStG freigestellt, da die sonstigen Voraussetzungen erfüllt sind. Der über 200 qm hinausgehende anteilige Wert des Hauses wird der Besteuerung unterworfen. Dass das Haus nach der Flächenverordnung nur eine Größe von 190 qm hat, ist durch Einspruch gegen den Erbschaftsteuerbescheid geltend zu machen.
Rz. 10
Wirken sich nachrichtlich mitgeteilte Angaben erst nach einer langen Zeit aus, muss geprüft werden, zu welchem Zeitpunkt dieser Umstand durch die Erbschaftsteuerstelle in die Besteuerung einbezogen worden ist.
Beispiel
Im Rahmen der Bewertung eines Betriebes stellt das Betriebsfinanzamt fest, dass die Ausgangslohnsumme (§ 13a Abs. 3 S. 2 ErbStG) 1 Mio. EUR beträgt. Die Erbschaftsteuerstelle stellt den Betrieb zu 85 % von der Erbschaftsteuer frei, da die übrigen Voraussetzungen des § 13b ErbStG erfüllt waren. Nach sieben Jahren stellt das Betriebsfinanzamt fest, dass die Mindestlohnsumme nicht zu 400% (Mindestlohnsumme nach § 13a Abs. 3 S. 1 ErbStG), sondern nur zu 200 % erfüllt wurde. Die Erbschaftsteuerstelle ändert daraufhin den Erbschaftsteuerbescheid und versteuert den Betrieb zu 42,5 % (50 % von 85 %) nach.
Nach der für Bewertungsstichtage zwischen dem 1.1.2009 und dem 30.6.2011 geltenden Rechtslage müsste der Einwand, dass die Ausgangslohnsumme nur 500.000 EUR beträgt, durch Einspruch gegen den Änderungsbescheid geltend gemacht werden. Die nachrichtliche Angabe des Betriebsfinanzamts ist kein Verwaltungsakt. Nach der ab dem 1.7.2011 geltenden Rechtslage ist die Feststellung der jährlich erreichten Lohnsumme durch Einspruch gegen den Feststellungsbescheid zu rügen. Der Einspruch gegen den Steuerbescheid wäre dann gem. § 351 Abs. 2 AO zurückzuweisen.
Rz. 11
Obgleich sich die Verwaltung selbst dazu verpflichtet hat, allen i.S.d. § 154 Abs. 1 BewG Beteiligten den Feststellungsbescheid bekannt zu geben, darf wohl für die Besteuerungspraxis davon ausgegangen werden, dass der Feststellungsbescheid in erster Linie dem der Aufforderung zur Abgabe einer Feststellungserklärung nachkommenden Beteiligten und ggf. noch dem/den Erwerber/n bekannt gegeben wird. War die Bekanntgabe wirksam, läuft die Einspruchsfrist mit Zugang des Feststellungsbescheides an (vgl. § 355 Abs. 1 AO). Verzichtet die Verwaltung aus verwaltungsökonomischen Gründen auf die Bekanntgabe an alle in § 154 Abs. 1 BewG aufgeführten Beteiligten, ist der dort genannte Personenkreis gleichwohl nach § 155 S. 1 BewG befugt, Einspruch einzulegen. Eine die Beschwer i.S.d. § 350 AO auslösende inhaltliche Betroffenheit ist nicht erforderlich. Mangels Bekanntgabe kann in diesen Fällen der Einspruch in den Grenzen der Verwirkung eingelegt werden, ohne dass die in §§ 355 Abs. 1, 356 Abs. 2 AO enthaltenen Fristen hieran hinderten. Das Einspruchsrecht ist verwirkt, wenn ein Berechtigter durch sein Verhalten einen Vertrauenstatbestand geschaffen hat, dass nach Ablauf einer gewissen Zeit die Geltendmachung des Rechts als illoyale Rechtsausübung empfunden werden muss. Nach der Rechtsprechung ist dies der Fall, wenn unter Begleitumständen, unter denen bei objektiver Betrachtung vernünftigerweise anzunehmen ist, dass ein Recht nicht mehr ausgeübt werde, der Beteiligte untätig bleibt (z.B. Verzicht auf den Einspruch trotz Kenntnis von der Rechtswidrigkeit des Einspruches). Keinesfalls ist dies allerdings vor Ablauf der Regelfrist des § 355 Abs. 1 AO anzunehmen, da ansonsten der Rechtsschutz in Gänze versagt werden würde. Besteht Uneinigkeit bezüglich der Frage der Beteiligtenstellung, so kann die Erteilung des Feststellungsbescheides beantragt werden und der Streit ggf. in Form des Einspruchs gegen den Ablehnungsbescheid einer Klärung zugeführt werden.
Der Feststellungsbescheid wird gegenüber denjenigen, gegenüber denen er ordnungsgemäß bekannt gegeben wurde, wirksam (vgl. § 124 AO). Der bewusste oder unbewusste Verzicht der Bekanntgabe gegenüber allen in § 154 Abs. 1 BewG genannten Personen ändert hieran nichts, wohl aber am Ein...