Rz. 17
Bei dem Nießbrauch an einem Grundstück kann von dem jährlichen Reinertrag ausgegangen werden, der der Differenz zwischen den marktüblich erzielbaren Erträgen und marktüblich entstehenden Bewirtschaftungskosten entspricht (vgl. §§ 31 f. ImmoWertV 2021). Allerdings spricht viel dafür, den Reinertrag nach den §§ 185 ff. BewG zu berechnen, damit der Bewertung des Grundstücks und des Nießbrauchs derselbe Reinertrag zugrunde gelegt wird. Dieser Reinertrag erster Stufe ist noch um die Lasten – darunter die Zinsen für grundstücksbezogene Darlehen – und die sonstigen Aufwendungen zu kürzen, die der Nießbraucher an Stelle des Eigentümers trägt. Die Absetzungen für Abnutzung (AfA) sind hingegen nicht zu berücksichtigen. Nach dem Grundgedanken der Nießbrauchsbestellung, dass der Nießbraucher die Nutzungen nur insoweit haben soll, als sie bei ordnungsgemäßer Nutzung den Reinertrag bilden, ist beim Nießbraucher in der Regel der Reinertrag maßgebend, es sei denn, der Eigentümer trägt ausnahmsweise alle Kosten, so dass der Nießbraucher die Bruttoerträge bekommt. Werden bei der Schenkung eines Grundstücks unter Nießbrauchsvorbehalt die auf dem Grundbesitz lastenden Verbindlichkeiten ausschließlich mit dinglicher Wirkung übernommen und ist der persönliche Schuldübergang auf den Beschenkten bis zum Erlöschen des Nießbrauchs aufschiebend bedingt, ist der Jahreswert des Nießbrauchs nicht um die vom Nießbraucher getragenen Zins- und Tilgungsleistungen zu mindern.
Rz. 18
Der durchschnittliche Ertrag eines Gewerbebetriebs ist regelmäßig auf der Grundlage des Gewinns der letzten drei Jahre zu schätzen. In Ausnahmefällen kann es angezeigt sein, auf den Durchschnitt der letzten fünf Jahre abzustellen.
Rz. 19
Bei dem Nießbrauch an einem GmbH-Anteil kommt es auf den ausgeschütteten oder entnahmefähigen Gewinn an, der auf den Anteil entfällt. Thesaurierte Beträge sind grundsätzlich nicht zu berücksichtigen. Eine zu Lasten des Nießbrauchers einbehaltene Kapitalertragsteuer ist ein persönlicher Umstand und daher kein wertmindernder Faktor. Der künftige Durchschnittsertrag kann auf der Grundlage des Ertrags der letzten drei dem Bewertungsstichtag vorangegangenen Jahre geschätzt werden. Er kann aber nicht ohne Weiteres mit null angesetzt werden, nur weil die Gesellschaft bereits mehrere Jahre keine Gewinne ausgeschüttet hat. Maßgebend ist in einem solchen Fall der Wert der Nutzungen, die angesichts der wirtschaftlichen und rechtlichen Situation der Gesellschaft bei einer ordnungsgemäßen Verwaltung des Gesellschaftsanteils gezogen werden können. Denn die ordnungsgemäße Verwaltung lässt erwarten, dass zumindest ein Teil des Gewinns der GmbH ausgeschüttet wird, wenn die Geschäftslage es zulässt und kein konkreter Bedarf besteht, die Gewinne zu thesaurieren. Es kommt also darauf an, welche künftigen Ausschüttungen nach den Verhältnissen am Bewertungsstichtag zu erwarten sind. Die gleichen Kriterien gelten für den Nießbrauch an einem Gesellschaftsanteil an einer Personengesellschaft. Die steuerliche Unterscheidung zwischen einer Mitunternehmerschaft, bei der der Nießbraucher Mitunternehmer sein muss, damit ihm Gewinnanteile zugerechnet werden, und einer vermögensverwaltenden Gesellschaft sind für den Jahreswert nicht von Belang. Denn maßgebend ist das Zivilrecht, das beide Male auf den Gesellschaftsanteil abstellt.
Rz. 20
Der Nießbrauch an einem Vermögen, z.B. an einem Nachlass, vermittelt Nutzungen aus den einzelnen Vermögensgegenständen, deren Jahreswerte individuell ermittelt werden müssen. Soweit Nutzungen aus Geldvermögen anfallen, ist § 15 Abs. 1 BewG einschlägig. Von den Nutzungen aus den ertragbringenden Vermögensgegenständen sind die Aufwendungen auf die ertraglosen Vermögensgegenstände abzuziehen.