Gesetzestext
(1) Die allgemeinen Bewertungsvorschriften (§§ 2 bis 16) gelten für alle öffentlich-rechtlichen Abgaben, die durch Bundesrecht geregelt sind, soweit sie durch Bundesfinanzbehörden oder durch Landesfinanzbehörden verwaltet werden.
(2) Die allgemeinen Bewertungsvorschriften gelten nicht, soweit im Zweiten Teil dieses Gesetzes oder in anderen Steuergesetzen besondere Bewertungsvorschriften enthalten sind.
A. Allgemeines
Rz. 1
Steuern sind nach § 3 Abs. 1 AO Geldleistungen. Damit sie berechnet und festgesetzt werden können, müssen die für die Besteuerung relevanten Umstände, Besteuerungsgrundlagen genannt (vgl. §§ 162 Abs. 1 S. 1, 199 Abs. 1 AO), in Geldeinheiten ausgedrückt werden. Diesen Vorgang nennt man Bewertung.
Rz. 2
Eine Bewertung erübrigt sich, wenn die Besteuerungsgrundlage in Geld besteht. Aber das gilt im Grunde nur für Bargeld. Anders ist es bereits bei Buchgeld. Das sind Guthaben, die auf einem Konto bei einem Kreditinstitut unterhalten werden und mit denen bargeldlos gezahlt werden kann. Im Verhältnis von Kontoinhaber und Kreditinstitut besteht eine Kapitalforderung. Bei jeder Kapitalforderung hängt der Wert nicht nur von der Menge der Geldeinheiten ab, um die es geht, sondern auch von anderen Umständen, zu denen die Fälligkeit der Forderung, die Bonität des Schuldners und die Verzinsung – hoch, niedrig, negativ oder fehlend – gehören (vgl. § 12 BewG). Zudem ist eine Bewertung immer erforderlich, wenn ein Sachwert eine Besteuerungsgrundlage bildet.
Rz. 3
Bewertung ist zeitpunktbezogen. Gesucht wird nicht der Wert an sich, sondern der Wert, den die Besteuerungsgrundlage in dem für die Besteuerung relevanten Zeitpunkt, dem Bewertungsstichtag, hat. Bei den Steuern, die an einen Erwerb anknüpfen, ist das in der Regel der Zeitpunkt, in dem die Steuer entsteht (vgl. § 11 ErbStG).
B. Tatbestand
I. Vom Allgemeinen zum Besonderen
Rz. 4
Ursprünglich war das BewG als ein steuerliches "Grundgesetz" gedacht. Es soll die Bewertung generell regeln, so wie ein anderes steuerliches "Grundgesetz", nämlich die AO, das steuerliche Verfahrensrecht regelt. Aber das ist nicht konsequent verfolgt worden. Heute hat das BewG in erster Linie die Aufgabe, die zu bewertenden Einheiten des land- und forstwirtschaftlichen Vermögens, des Grundvermögens und des Betriebsvermögens für Zwecke der Erbschaft- und Schenkungsteuer festzustellen und dafür die Bewertungsmaßstäbe zu liefern.
Rz. 5
Das BewG gliedert sich in einen allgemeinen Teil und mehrere besondere Teile. Der allgemeine Teil findet sich im Ersten Teil des BewG (§§ 1–16 BewG), er enthält die Bewertungsvorschriften, die für alle Bewertungen gelten. Die besonderen Teile finden sich im Zweiten Teil des BewG (§§ 17–203 BewG). Und außerhalb des Bewertungsgesetzes finden sich Bewertungsvorschriften in den einzelnen Steuergesetzen.
II. Rangfolge
Rz. 6
Die allgemeinen Bewertungsvorschriften gelten nach § 1 Abs. 1 BewG für alle öffentlich-rechtlichen Abgaben, die durch Bundesrecht geregelt sind, soweit sie durch Bundesfinanzbehörden oder durch Landesfinanzbehörden verwaltet werden. Das sind alle Steuern, für die der Bund nach Art. 105 Abs. 1 und 2 GG die Gesetzgebungskompetenz hat. Sie gelten darüber hinaus auch für Landessteuern und zum Teil auch für kommunale Abgaben. Klarstellend vermerkt § 1 Abs. 2 BewG, dass sie nicht gelten, soweit im Zweiten Teil des BewG oder in anderen Steuergesetzen besondere Bewertungsvorschriften enthalten sind.
Rz. 7
Die besonderen Bewertungsvorschriften regeln die Bewertung für bestimmte Steuern. Wie sich aus § 17 Abs. 1 BewG ergibt, gelten auch sie nur relativ, denn sie sind nach Maßgabe der einzelnen Steuergesetze anzuwenden.
Rz. 8
Daraus ergibt sich folgende Rangfolge:
▪ |
Bewertungsvorschriften der einzelnen Steuergesetze, |
▪ |
besondere Bewertungsvorschriften des BewG, |
▪ |
allgemeine Bewertungsvorschriften des BewG. |
Dessen ungeachtet folgt die Darstellung der gesetzlichen Reihenfolge.
III. Allgemeine Bewertungsvorschriften
Rz. 9
Die allgemeinen Bewertungsvorschriften bestimmen den Gegenstand der Bewertung (§ 2 BewG), die Verteilung des Werts, wenn an dem Gegenstand mehrere beteiligt sind (§ 3 BewG), die Auswirkungen von Bedingungen und Befristungen auf die Bewertung (§§ 4–8 BewG), und den Wert, auf den die Bewertung zielt. Nach der Gesetzeslage sind das im Wesentlichen zwei Werte:
▪ |
der gemeine Wert des § 9 BewG als der unter gewöhnlichen Umständen zu erzielende Preis für ein Wirtschaftsgut, und |
▪ |
der Teilwert des § 10 BewG als der Teil des Werts eines Unternehmens, der auf ein bestimmtes Wirtschaftsgut entfällt, das zu diesem Unternehmen gehört. |
Rz. 10
Daran schließen sich Bewertungsvorschriften an, die anordnen, wie der gemeine Wert bestimmter Wirtschaftsgüter zu ermitteln ist. Es handelt sich um typisierende Bewertungsverfahren, die auf die Besonderheiten des Einzelfalls nur begrenzt Rücksicht nehmen. Deshalb erlaubt das BewG in bestimmten Fällen, den "wahren" Wert nachz...