Gerhard Sievert, Ulrich Gohlisch
Gesetzestext
(1) Bei Anwendung des Vergleichswertverfahrens sind Kaufpreise von Grundstücken heranzuziehen, die hinsichtlich der ihren Wert beeinflussenden Merkmale mit dem zu bewertenden Grundstück hinreichend übereinstimmen (Vergleichsgrundstücke). Grundlage sind vorrangig die von den Gutachterausschüssen im Sinne der §§ 192 ff. des Baugesetzbuchs mitgeteilten Vergleichspreise.
(2) Anstelle von Preisen für Vergleichsgrundstücke können von den Gutachterausschüssen für geeignete Bezugseinheiten, insbesondere Flächeneinheiten des Gebäudes, ermittelte und mitgeteilte Vergleichsfaktoren herangezogen werden. Bei Verwendung von Vergleichsfaktoren, die sich nur auf das Gebäude beziehen, ist der Bodenwert nach § 179 gesondert zu berücksichtigen. Anzuwenden sind die Vergleichsfaktoren, die von den Gutachterausschüssen für den letzten Auswertungszeitraum abgeleitet werden, der vor dem Kalenderjahr endet, in dem der Bewertungsstichtag liegt.
(3) Besonderheiten, insbesondere die den Wert beeinflussenden Belastungen privatrechtlicher und öffentlich-rechtlicher Art, werden im Vergleichswertverfahren nach den Absätzen 1 und 2 nicht berücksichtigt.
Gesetzesbegründung: BR-Drucks 273/21, S. 11 ff.; BT-Drucks 19/28902, zu Art. 1 Nr. 3, S. 7, 21.
Verwaltungsanweisung: R B 183 ErbStR 2019 v. 16.12.2019, BStBl I 2019, Sondernummer 1/2019.
A. Allgemeines
Rz. 1
Vergleichswertverfahren sind allgemein übliche Methoden zur Ermittlung von Verkehrswerten bzw. zur Ermittlung von möglichen Kauf- oder Verkaufspreisen. § 183 BewG übernimmt die Vergleichswertmethode für häufig vorkommende und oft vergleichbare Immobilientypen mit Einschränkungen für die erbschaftsteuerliche Grundstücksbewertung. Mit dem Vergleichswertverfahren nach § 183 BewG wird der gemeine Wert eines geerbten/geschenkten bebauten Grundstücks i.d.R. in einem Arbeitsschritt aus den Kaufpreisen/Kauffaktoren hinreichend vergleichbarer Grundstücke hergeleitet. Das Erfordernis hinreichender Übereinstimmung der Vergleichsgrundstücke mit dem zu bewertenden Grundstück dient nicht nur der Verwaltungsvereinfachung, sondern auch dazu, den Kreis der Vergleichsgrundstücke nicht über Gebühr einzuengen.
Der Anwendungsbereich des Vergleichswertverfahrens ist gem. § 182 Abs. 2 BewG auf Wohnungseigentum, Teileigentum, Ein- und Zweifamilienhäuser begrenzt.
B. Tatbestand
I. Vergleichspreis
Rz. 2
Voraussetzung für die Anwendung eines Vergleichswertverfahrens ist eine ausreichende Anzahl geeigneter Vergleichspreise. Für eine Bewertung nach § 183 Abs. 1 BewG reicht es nicht aus, dass das Finanzamt den Immobilien-Preis Kalkulator der Gutachterausschüsse anwendet, es muss vielmehr auch tatsächlich vom Gutachterausschuss Vergleichspreise anfordern. Näheres zur Ermittlung der Vergleichspreise siehe R B 183 Abs. 3 ErbStR 2019. Das Finanzamt hat bei seiner Wertermittlung gemäß § 183 Abs. 1 S. 2 BewG vorrangig die von den Gutachterausschüssen für Grundstückswerte ermittelten Vergleichspreise heranzuziehen. Die gerichtliche Überprüfung von Mitteilungen der Gutachterausschüsse ist auf offensichtliche Unrichtigkeiten beschränkt.
Die Ableitung des gemeinen Werts aus Unterlagen, die das Finanzamt aus Kauffällen zusammengestellt hat, kann demzufolge keine Priorität haben und nur nachrangig erfolgen. Aus dem gesetzlich geregelten Vorrang zu Gunsten der Vergleichspreise des Gutachterausschusses kann man allerdings erkennen, dass zumindest bei weiter Auslegung der Norm auch andere Ableitungen zulässig sind. Mit der Nachrangigkeit anderer Kaufpreissammlungen wird eine größere Objektivität der anzusetzenden Vergleichspreise angestrebt.
Häufig geben die Gutachterausschüsse Vergleichspreisspannen an. Liegen mehrere Vergleichspreise vor, soll der Durchschnittswert angesetzt werden. Sofern allerdings der Gutachterausschuss nur Durchschnittskaufpreise (Kaufpreismittel) aus einer Vielzahl von Kauffällen einer Grundstücksart ohne Berücksichtigung unterschiedlicher wertbeeinflussender Merkmale abgeleitet hat, sind diese als Vergleichspreise nicht geeignet. In diesem Fall ist m.E. das Sachwertverfahren anzuwenden. Das Gesetz lässt es zu, dass das Finanzamt auch andere geeignete Vergleichspreise, z.B. eigene Kaufpreissammlungen, Kaufpreissammlungen von Verbänden und Instituten, berücksichtigen kann. Grundsätzlich ist m.E. das Finanzamt dafür beweispflichtig, dass dem herangezogenen Vergleichspreis eine ausreichende Anzahl geeigneter Vergleichspreise zugrunde lag. Ein tatsächlich innerhalb eines Jahres vor dem Bewertungsstichtag unter fremden Dritten erzielter Kaufpreis kann als Vergleichspreis herangezogen werden (H B 183 Abs. 2 ErbStH 2019). Voraussetzung ist nach Verwaltungsauffassung, dass in der Zwischenzeit keine Änderung der Wertverhältnisse eingetreten ist. Au...