Gerhard Sievert, Ulrich Gohlisch
Gesetzestext
(1) Der Wert des Erbbaugrundstücks ist im Vergleichswertverfahren nach § 183 zu ermitteln, wenn für das zu bewertende Grundstück Vergleichskaufpreise oder aus Kaufpreisen abgeleitete Vergleichsfaktoren vorliegen.
(2) In allen anderen Fällen bildet der Bodenwertanteil nach Absatz 3 den Wert des Erbbaugrundstücks. Dieser ist um einen Gebäudewertanteil nach Absatz 4 zu erhöhen, wenn der Wert des Gebäudes vom Eigentümer des Erbbaugrundstücks nicht oder nur teilweise zu entschädigen ist.
(3) Der Bodenwertanteil ist die Summe des über die Restlaufzeit des Erbbaurechts abgezinsten Bodenwerts nach § 179 und der über diesen Zeitraum kapitalisierten Erbbauzinsen. Der Abzinsungsfaktor für den Bodenwert wird in Abhängigkeit vom Zinssatz nach § 193 Abs. 4 und der Restlaufzeit des Erbbaurechts ermittelt; er ist Anlage 26 zu entnehmen. Als Erbbauzinsen sind die am Bewertungsstichtag vereinbarten jährlichen Erbbauzinsen anzusetzen; sie sind mit dem sich aus Anlage 21 ergebenden Vervielfältiger zu kapitalisieren.
(4) Der Gebäudewertanteil des Erbbaugrundstücks entspricht dem Gebäudewert oder dem anteiligen Gebäudewert, der dem Eigentümer des Erbbaugrundstücks bei Beendigung des Erbbaurechts durch Zeitablauf entschädigungslos zufällt; er ist nach Maßgabe der Anlage 26 auf den Bewertungsstichtag abzuzinsen.
Gesetzesbegründung: BT-Drucks 16/11107, S. 24, 25.
Verwaltungsanweisung: R B 194 ErbStR 2019 v. 16.12.2019, BStBl I 2019, Sondernummer 1/2019.
A. Allgemeines
Rz. 1
§ 194 regelt die Bewertung eines inländischen Erbbaugrundstücks, d.h. des Grundstücks, auf dem das Erbbaurecht ruht.
B. Tatbestand
I. Bewertung im Vergleichswertverfahren (Abs. 1)
Rz. 2
Für die Bewertung des Erbbaugrundstücks sieht das Gesetz vorrangig eine Bewertung mit Vergleichspreisen/Vergleichsfaktoren vor. Sind diese von den Gutachterausschüssen nicht ermittelt und auch von anderen Marktbeobachtern in statistisch qualifizierter Form nicht erhältlich, sieht das Gesetz eine schematische Bewertung in den § 194 Abs. 2–4 BewG vor.
Rz. 3
In der Gesetzesbegründung wird ein Ablaufbewertungsschema gezeigt, welches hier modifiziert (u.a. ergänzt mit den entsprechenden Normen) wiedergegeben wird:
Schema zur Bewertung von Erbbaugrundstücken
II. Gesamtwert des Erbbaugrundstücks nach dem gesetzlichen (finanzmathematischen) Verfahren (Abs. 2)
Rz. 4
Der Gesamtwert des Erbbaugrundstücks ist in der Regel mit dem Bodenwertanteil identisch. Kann der Eigentümer des Erbbaurechtsgrundstücks das Gebäude nach Ablauf ohne Entschädigung bzw. gegen geringe Entschädigung erhalten, ist ihm auch ein Gebäudewertanteil zuzurechnen. In diesem Fall ergibt sich der Gesamtwert aus der Summe von Bodenwertanteil und Gebäudewertanteil. Eine Berücksichtigung weiterer wertbeeinflussender Umstände – beispielsweise von Marktanpassungsfaktoren bzw. vom Üblichen abweichenden Auswirkungen vertraglicher Vereinbarungen, insb. die Berücksichtigung von fehlenden Wertsicherungsklauseln oder der Ausschluss einer Anpassung des Erbbaurechtsvertrags – ist in diesem typisierten Verfahren ausgeschlossen.
III. Ermittlung des Bodenwertanteils (Abs. 3)
Rz. 5
Der Bodenwertanteil ergibt sich aus der Summe des abgezinsten Bodenwerts und den kapitalisierten vertraglich vereinbarten jährlichen Erbbauzinsen. Die Errechnung kann in 5 Schritten vorgenommen werden.
Rz. 6
1. Schritt: Bodenwert
Zunächst ist der Wert des unbebauten Grund und Bodens zu ermitteln, so als ob das im Erbbaurechtswege errichtete Bauwerk nicht vorhanden wäre. Der Wert des unbelasteten Grundstücks ergibt sich gem. § 179 BewG aus der Multiplikation der Fläche mit dem zutreffenden Bodenrichtwert. Näheres siehe Erläuterungen zu § 179 BewG (siehe § 179 BewG Rdn 2 ff.).
Rz. 7
2. Schritt: Ermittlung des abgezinsten Bodenwerts
Zur Abzinsung ist der Bodenwert mit Abzinsungsfaktoren nach Anlage 26 BewG zu multiplizieren. Der Abzinsungsfaktor ist abhängig von der Restlaufzeit des Erbbaurechts und dem anzuwendenden Liegenschaftszinssatz.
Beispiel
Bei einer Restlaufzeit des Erbbaurechts von 20 Jahren und einem Liegenschaftszins von 3 % (Einfamilienhaus) ergibt sich ein Abzinsungsfaktor von 0,5537.
Der so ermittelte abgezinste Bodenwert ist zu dem kapitalisierten vertraglich vereinbarten jährlichen Erbbauzins zu addieren.
Rz. 8
3. Schritt: Ermittlung des Erbbauzinses
Der Erbbauzins ergibt sich aus dem Erbbaurechtsvertrag, umgerechnet auf 12 Monate. Auf die Zahlungsmodalitäten, Zahlungsrückstände u. dgl. kommt es nicht an. Künftige Anpassungen aufgrund von Wertsicherheitsklauseln sind nicht zu berücksichtigen. Ist kein Erbbauzins zu zahlen, stellt der abgezinste Bodenwert den Bodenwertanteil dar.
Rz. 9
4. Schritt: Kapitalisierung des Erbbauzinses
Der Jahresbetrag des Erbbauzinses ist zu kapitalisieren, d.h. mit einem Kapitalisierungsfaktor zu multiplizieren. Der Kapitalisierungsfaktor ergibt sich aus Anlage 21 BewG. Er ist von der Restlaufzeit des Erbbaurechts und dem anzuwendenden Liegenschaftszinssatz abhängig. Beträgt die Restlaufzeit z.B. eines Einfamilienhauses noch 20 Jahre, ergibt sich bei 3 % Liegenschaftszinssatz ein Vervielfältiger von 14,88.
Rz. 10
5. Ergebnis: Bodenwertanteil
Der abgezinste Bodenwert und der kapitalisierte Erbbauzins ergeben den Bodenwertanteil.
IV. Gebäudewertanteil (Abs. 4)
Rz. 11
Geht das Gebäude später auf ...