Leitsatz
Wird die Wohnung entgegen der Angaben im Kündigungsschreiben vom Vermieter nicht bezogen, sondern anderweitig vermietet, so muss der Vermieter "substantiiert und plausibel" darlegen, aus welchem Grund der mit der Kündigung vorgebrachte Eigenbedarf nachträglich entfallen sein soll. Wenn der Vortrag des Vermieters dem genügt, obliegt dem Mieter der Beweis, dass ein Selbstnutzungswille schon von vorneherein nicht bestanden hat.
Normenkette
BGB § 573
Kommentar
In dem zur Entscheidung stehenden Fall hatte der Vermieter den Mietern eine im Erdgeschoss des Hauses liegende Wohnung vermietet. Der Vermieter wohnte im Souterrain desselben Hauses. Im Jahr 1998 hat der Vermieter das mit den Beklagten bestehende Mietverhältnis zum Jahresende 1999 wegen Eigenbedarfs gekündigt. Er hat in dem Kündigungsschreiben ausgeführt, dass er in die Erdgeschosswohnung einziehen wolle, weil diese größer, heller und trockener sei. Die Mieter haben die Wohnung daraufhin geräumt.
In der Folgezeit hat der Vermieter in der Erdgeschosswohnung Renovierungs- und Sanierungsarbeiten durchgeführt. Diese wurden im Jahr 2002 – nach ca. 2 1/2 Jahren – abgeschlossen. Sodann hat der Vermieter die Wohnung an einen Dritten vermietet.
Die Mieter haben nunmehr Schadensersatzansprüche wegen eines vorgetäuschten Eigenbedarfs geltend gemacht. Der Vermieter hat erklärt, er habe sich Anfang 2002 entschlossen zu heiraten und die Souterrainwohnung zur Ehewohnung auszubauen. Die Erdgeschosswohnung sei hierfür zu klein.
Das Amts- und das Landgericht haben der Klage der Mieter im Wesentlichen stattgegeben. Der BGH hat die Urteile aufgehoben.
1. Der BGH führt aus, dass der Mieter Anspruch auf Schadensersatz hat, wenn ein mit der Kündigung geltend gemachter Eigenbedarf in Wirklichkeit nicht besteht.
2. Ein berechtigter Eigenbedarf liegt nur vor, wenn der Vermieter die Wohnung gegenwärtig oder in absehbarer Zeit benötigt. So genannte "Vorratskündigungen" sind unzulässig. Hierunter ist eine Kündigung zu verstehen, der ein gegenwärtig noch nicht absehbarer Bedarf zugrunde liegt. Hiervon sind die Fälle zu unterscheiden, in denen der Vermieter vor dem Bezug der Wohnung Sanierungs-, Umbau- oder Renovierungsarbeiten durchführt. Eine solche Absicht steht der Kündigung nicht entgegen. Es kommt dabei nicht darauf an, ob sich die Arbeiten über einen wesentlich längeren als den üblichen Zeitraum erstrecken.
3. Nach allgemeinen Grundsätzen muss der Mieter die tatsächlichen Voraussetzungen seines Schadensersatzanspruchs beweisen. Dieser Grundsatz gilt auch in den Fällen des vorgetäuschten Eigenbedarfs. Eine Umkehr der Beweislast findet nicht statt. Der Mieter muss also darlegen und beweisen, dass der Vermieter von Anfang an keinen Willen zur Eigennutzung hatte. Den Vermieter trifft eine sog. sekundäre Behauptungslast.
Hinweis
Für die praktische Umsetzung gilt Folgendes: Wird die Wohnung entgegen der Angaben im Kündigungsschreiben vom Vermieter nicht bezogen, sondern anderweitig vermietet, so muss der Vermieter "substantiiert und plausibel" darlegen, aus welchem Grund der mit der Kündigung vorgebrachte Eigenbedarf nachträglich entfallen sein soll. Wenn der Vortrag des Vermieters dem genügt, obliegt dem Mieter der Beweis, dass ein Selbstnutzungswille schon von vorneherein nicht bestanden hat.
4. Ob daneben unter bestimmten tatsächlichen Voraussetzungen zugunsten des Mieters die Grundsätze des Anscheinsbeweises anwendbar sind, hat der BGH offen gelassen. Die Grundsätze des Anscheinsbeweises setzen einen typischen Geschehensablauf voraus, der vorliegend nicht vorlag.
Link zur Entscheidung
BGH, Urteil vom 18.05.2005, VIII ZR 368/03, NZM 2005, 580 = NJW 2005, 2395 = WuM 2005, 521 = ZMR 2005, 702 = GE 2005, 855