Dr. Wolf-Dietrich Deckert†
Normenkette
§ 14 WEG, § 15 WEG, § 21 WEG, § 22 WEG, § 242 BGB, § 1004 BGB
Kommentar
1. Ein Deckendurchbruch zur Verbindung zweier Eigentumswohnungen stellt regelmäßig eine unzulässige bauliche Veränderung dar, deren Beseitigung jeder Wohnungseigentümer verlangen kann (Ergänzung zu KG, OLGZ 90, 155 = NJW-RR 90, 334 = WE 90, 91).
Ein Eigentümer hatte die Decke seiner beiden Wohnungen für eine 1,6 x 1,6 m große Öffnung durchbrechen und eine Verbindungstreppe einbauen lassen.
Im Hinblick auf die BGH-Entscheidung vom 19. 12. 1991 (NJW 91, 978 = WE 92, 321) werde die bisherige Senatsmeinung ergänzt. § 22 Abs. 1 S. 1 und 2 WEG unterscheide unzulässige und zulässige bauliche Veränderungen (sowie über eine Reparatur hinausgehende Aufwendungen) hinsichtlich des gemeinschaftlichen Eigentums. Zulässige Umbauten lägen vor, wenn durch die Maßnahme die Rechte eines anderen Eigentümers nicht über das in § 14 WEG bestimmte Maß hinaus beeinträchtigt würden.
Unzulässige Veränderungen seien gegeben, wenn einem anderen Eigentümer dadurch in vermeidbarer Weise ein Nachteil erwachse, wobei unter Nachteil in diesem Sinne jede nicht ganz unerhebliche Beeinträchtigung zu verstehen sei. Nur konkrete und objektive Beeinträchtigungen seien als ein solcher Nachteil zu werten; entscheidend sei insoweit, ob sich nach der allgemeinen Verkehrsanschauung ein Wohnungseigentümer in entsprechender Lage verständlicherweise beeinträchtigt fühlen könne.
Im vorliegenden Fall sei eine Beeinträchtigung regelmäßig schon deshalb zu bejahen, weil ein rechtlich ordnungswidriger Zustand eigenmächtig durch die Verbindung der beiden Wohnungen und den Deckendurchbruch (= Gemeinschaftseigentum) geschaffen werde. Eingegriffen werde hier in die anfängliche Abgeschlossenheit, welche insbesondere die genaue Abgrenzung der Bereiche der einzelnen Wohnungseigentümer und damit die Vermeidung möglicher Streitigkeiten über Benutzungen sicherstelle. Bereits die ursprüngliche Herstellung der Abgeschlossenheit gehöre zur vereinbarungsgemäßen, d. h. der Teilungserklärung entsprechenden Herstellung eines ordnungsgemäßen Zustandes des Gemeinschaftseigentums. Bei einer nachträglichen Verletzung dieser Abgeschlossenheit gehöre die Wiederherstellung des vorherigen Zustandes deshalb zwangsläufig zur ordnungsgemäßen Instandhaltung und Instandsetzung des gemeinschaftlichen Eigentums im Sinne des § 21 Abs. 5 Nr. 2 WEG.
Es bedürfe deshalb keines weiteren Eingehens mehr darauf, ob durch den vorliegenden Deckendurchbruch konkret ein tiefer Eingriff in die Substanz des Gemeinschaftseigentums und in die Statik sowie eine mögliche intensivere und stärker belästigendere Nutzung der zusammengelegten Wohnungen (etwa als Wohnheim) zu bejahen wäre. Insoweit habe der Senat entsprechend BGH Z 116, 392 daran festgehalten, dass beispielsweise die Veränderung der Statik, der erhöhte Wartungs- und Reparaturaufwand nach dem Umbau sowie die Veränderung des optischen Gesamteindruckes unter § 22 Abs. 1 S. 1 WEG fielen.
2. Der einzelne Miteigentümer könne hier den Anspruch auf Beseitigung der Beeinträchtigung des gemeinschaftlichen Eigentums auch ohne Ermächtigung durch die Wohnungseigentümergemeinschaft geltend machen ( § 1004 Abs. 1 S. 1 BGB i. V. m. §§ 15 Abs. 3, 14 Nr. 1 WEG).
3. Allerdings werde noch folgender Hinweis gegeben: Ein Deckendurchbruch könnte möglicherweise u. U. rechtlich anders zu beurteilen sein, falls die Wohnungseigentumsrechte rechtlich vereinigt seien, was ohne die Zustimmung der anderen Wohnungseigentümer zulässig sein könnte. Im Fall einer grundbuchmäßigen Vereinigung wäre nach Treu und Glauben ( § 242 BGB) erneut abzuwägen, ob die Gemeinschaft evtl. verpflichtet sei, eine solche Verbindung zu erlauben. Dazu müsste die Interessenlage der Gemeinschaft einerseits und die des verbindenden Eigentümers geprüft werden. Maßstab wäre auch hier wiederum § 22 Abs. 1 S. 2 i. V. m. § 14 Nr. 1 WEG. Ausgeschlossen müssten werden u. a. konkrete Gefahren für die Standsicherheit des Gebäudes sowie für den Brandschutz, konkrete Beeinträchtigungen für die übrigen Miteigentümer durch eine intensivere Nutzung der Wohnungen sowie das Risiko der Rückbaukosten im Fall einer späteren erneuten Teilung der zusammengelegten Wohneinheiten (Fragen, die nicht Gegenstand des vorliegenden Verfahrens waren)
4. Keine außergerichtliche Kostenerstattung bei Geschäftswertansatz von DM 3.200,-.
Link zur Entscheidung
( KG Berlin, Beschluss vom 19.02.1993, 24 W 3563/92= ZMR 6/93, 288 = WM 5/93, 292 = NJW-RR 93, 909).
zu Gruppe 5: Rechte und Pflichten der Miteigentümer
Anmerkung:
Diese neuerliche Entscheidung des Kammergerichts Berlin, gestützt vorwiegend auf formalrechtliche Gründe zum Begriff der Abgeschlossenheit, überzeugt mich nach wie vor nicht. Mit dieser Argumentation könnte jegliche Veränderungsmaßnahme mit Eingriffen in das Gemeinschaftseigentum als unzulässig gewertet werden, wenn ein anfänglicher abgeschlossenheitsbescheinigter und plangenehmigter Zustand in Grenzbereichen Sondereigentum/Gemeinschaftseigentum verändert ...