Leitsatz

Der Gebrauch des gemeinschaftlichen Eigentums (hier: einer vor über 10 Jahren angelegten und überdachten Terrasse vor einer Erdgeschosswohnung) beurteilt sich insbesondere nach Lage und Beschaffenheit und kann den Mitgebrauch an diesem Teil des gemeinschaftlichen Eigentums ausschließen

 

Normenkette

§§ 13, 14, 15 WEG

 

Kommentar

  1. Ein Erdgeschosswohnungseigentümer hatte bereits 1991 eine vor seiner Wohnung befindliche Terrasse höhergelegt, überdacht und mit einer Treppe zum Gartengrundstück versehen. Von Anbeginn an wird die Terrasse auch allein von diesem Eigentümer genutzt. Der Eigentümer der darüber liegenden Wohnung beantragte nunmehr, den Erdgeschosseigentümer zu verpflichten, die Terrassenüberdachung zu entfernen, die Nutzung der betreffenden Garten- und Terrassenfläche auch durch seine Mieter zu dulden, ferner festzustellen, dass auch er zur gemeinschaftlichen Nutzung der Garten- und Terrassenfläche berechtigt sei.
  2. Grundsätzlich ist jeder Wohnungseigentümer zum Mitgebrauch des Gemeinschaftseigentums und damit auch der streitgegenständlichen Terrasse nach Maßgabe der §§ 14, 15 WEG berechtigt (vgl. auch § 13 Abs. 2 S. 1 WEG). Der Beseitigungsanspruch wurde i.Ü. bereits rechtskräftig durch das Amtsgericht abgewiesen.

    Ob insoweit durch die langjährige alleinige Nutzung der Terrasse durch die Antragsgegnerseite ein alleiniges Nutzungsrecht in Form eines Sondernutzungsrechts begründet wurde, braucht nicht entschieden zu werden (vgl. hierzu Beschlüsse des OLG Düsseldorf v. 26.6.2003, 3 Wx 121/03, WuM 2003, 584 und OLG Düsseldorf v. 25.7.2003, 3 Wx 133/03, WuM 2003, 585). Dahingestellt bleiben kann auch die Frage einer möglichen Anspruchsverwirkung unter Berücksichtigung des Zeitmoments und auch eines Umstandsmoments. Auch die Annahme einer Verwirkung würde zu keinem Sondernutzungsrecht der Antragsgegner führen; vielmehr könnte in einem solchen Fall der Antragsteller gehindert sein, seinen Anspruch auf Mitbenutzung des Gemeinschaftseigentums geltend zu machen. Ein Anspruch auf alleinige Nutzung der Terrasse durch die Antragsgegner würde damit nicht begründet; der Antragsteller könnte deshalb nur der tatsächlichen alleinigen Nutzung durch die Antragsgegner nicht einen Mitbenutzungsanspruch im Falle der Verwirkung entgegensetzen.

  3. Allerdings besitzt der Antragsteller aus anderen Gründen keinen Mitbenutzungsanspruch. Der Mitgebrauch von Gemeinschaftseigentum ist insoweit gesetzlich eingeschränkt, als jeder Wohnungseigentümer vom gemeinschaftlichen Eigentum nur in solcher Weise Gebrauch machen darf, dass dadurch keinem der anderen Wohnungseigentümer ein Nachteil über das bei einem geordneten Zusammenleben unvermeidliche Maß hinaus erwächst (§ 14 Nr. 1 WEG). Im Übrigen kann jeder Wohnungseigentümer einen Gebrauch des gemeinschaftlichen Eigentums nur insoweit verlangen, als er dem Interesse der Gesamtheit der Wohnungseigentümer nach billigem Ermessen entspricht (§ 15 Abs. 3 WEG). Welcher Gebrauch des gemeinschaftlichen Eigentums danach im Einzelnen zulässig ist, bestimmt sich insbesondere nach der Lage und Beschaffenheit des in Betracht kommenden Teils des gemeinschaftlichen Eigentums (hier: Terrassenfläche von 12 qm auf erhöhter Holzkonstruktion und unmittelbar gelegen vor der EG-Wohnung des Antragsgegners mit Zugang von dieser). Die besagte Terrasse wurde seinerzeit im Einvernehmen mit dem Antragsteller aus- und überbaut. Sie kann nur vom Antragsgegner genutzt werden, weil eine Mitbenutzung durch den Antragsteller den Antragsgegner in unzumutbarer Weise in der Nutzung seines Sondereigentums beeinträchtigen würde.
 

Link zur Entscheidung

BayObLG, Beschluss vom 07.01.2004, 2Z BR 220/03, ZMR 5/2004, 360

Anmerkung

M.E. hätte dieser Streit - mit gleichem Ergebnis - eher über eine Verwirkung auch der Mitbenutzungsrechte anderer Eigentümer und insbesondere des Antragstellers entschieden werden müssen, wobei auch von Rechtsmissbräuchlichkeit der Antragstellung dieses Miteigentümers hätte gesprochen werden können, da Nutzung und Ausbau offensichtlich seinerzeit im Einvernehmen mit dem Antragsteller erfolgten.

Mitbenutzungsrechte allein nach Lage und Beschaffenheit von Teilen des gemeinschaftlichen Eigentums abhängig zu machen, ist ein sehr einzelfallbezogenes Argument und kann in vergleichbaren Fällen Tür und Tor für weitere Streitigkeiten öffnen. Die Argumentation des Senats überrascht mich auch deshalb, da vor etwa 10 Jahren der Senat die Berechtigung eines Saunaeinbaus durch einen Balkon-Eigentümer in einer Dachüberstandsraumfläche neben einem Balkon trotz geschaffener Zugänglichkeit allein von dort als nicht berechtigte Nutzung ansah, auch wenn diese Dachüberstandsflächen nur vom Sondereigentum bzw. Sondereigentums-Balkon der betreffenden Geschosswohnung erreichbar war. Auch in nachfolgenden, vergleichbaren Fällen wurde insbesondere vom BayObLG entschieden, dass sich eine Alleinnutzung einer gemeinschaftlichen Raumfläche grundsätzlich nicht dadurch ergeben könne, dass ein solcher Raum ausschließlich von Sondereigentum aus ...

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