Leitsatz

  1. Der Rechtsnachfolger tritt nicht ohne weiteres durch in frühere Vereinbarung schuldrechtlich wirkende Sondernutzungsrechte ein
  2. Bejahtes Rechtsschutzinteresse für Anfechtung eines Negativbeschlusses, wenn mit der Anfechtung ein Antrag auf Feststellung verbunden wird, dass das vom Beschluss betroffene Rechtsverhältnis besteht
 

Normenkette

§§ 10 Abs. 2, 43 WEG; §§ 133, 242 BGB

 

Kommentar

  1. Durch die kaufvertraglich geregelte allgemeine Übernahme nur schuldrechtlich wirkender Rechte und Pflichten (hier: seinerzeitige Verabredungen in Bauherrenversammlungen von 1984) tritt ein Sondernachfolger nicht ohne weiteres in Vereinbarungen über schuldrechtlich wirkende Sondernutzungsrechte (hier: hinsichtlich Gartenflächen- und Stellplatzzuordnungen) ein.
  2. Vereinbarungen von Wohnungseigentümern untereinander im Sinne von § 10 Abs. 1 WEG bedürfen grundsätzlich keiner besonderen Form und können sogar durch konkludentes Verhalten zustande kommen (vgl. BayObLG v. 5.2.1998, 2Z BR 110/97, NZM 1998, 524). Ein auf einer solchen Vereinbarung ohne Eintragung in das Grundbuch begründetes (schuldrechtliches) Sondernutzungsrecht erlischt aber, wenn ein neuer Wohnungseigentümer in die Gemeinschaft eintritt, welcher der bisherigen schuldrechtlichen Vereinbarung nicht beitritt (vgl. OLG Köln v. 2.4.2001, 16 Wx 7/01, ZMR 2002, 73). Allein in einzelnen Kaufverträgen getroffene Regelungen "zum Eintritt in die Eigentümergemeinschaft" haben nicht die Übernahme möglicherweise bestehender Vereinbarungen über die Begründung schuldrechtlicher Sondernutzungsrechte zum Inhalt. Damit sind zu Recht solche Abreden in den Kaufverträgen dahingehend auszulegen, dass keine pauschale Übernahme solcher schuldrechtlichen Verpflichtungen gewollt war, die sonst grundsätzlich nur bei Eintragung im Grundbuch Wirkungen gegen den Sonderrechtsnachfolger entfalten können.
  3. Insoweit lässt sich auch nicht nach Treu und Glauben (§ 242 BGB) das Bestehen umstrittener Sondernutzungsrechte herleiten.
  4. Begünstigte Eigentümer durften sich auch bei jahrelang praktizierter Alleinnutzung bestimmter Teilflächen des Gemeinschaftseigentums nicht darauf einrichten, dass der bestehende Zustand auch in Zukunft von allen Eigentümern zu billigen sei. Hinsichtlich der hier umstrittenen Flächen des Gemeinschaftseigentums besteht damit Mitnutzungsberechtigung aller Eigentümer gem. § 13 Abs. 2 S. 1 WEG. Eine schuldrechtliche Verpflichtung zur Duldung einer beschlossenen Sondernutzung war vorliegend aus den kaufvertraglichen Regelungen nicht herzuleiten, ebenso nicht aus früheren bestandskräftigen Eigentümerbeschlüssen (absolut fehlende Beschlusskompetenz gemäß BGH v. 20.9.2000, V ZB 58/99, NJW 2000, 3500 mit Beschlussnichtigkeitsfolge). Selbst über eine vereinbarte Öffnungsklausel ließe sich keine Bindungswirkung eines solchen Beschlusses erzielen, da Miteigentümer durch den Ausschluss einer gemeinschaftlichen Nutzung der betroffenen Flächen unbillig beeinträchtigt sein würden.
  5. Für die Anfechtung eines Negativbeschlusses liegt das erforderliche Rechtsschutzinteresse jedenfalls dann vor, wenn mit der Anfechtung der Antrag auf Feststellung verbunden wird, dass das vom Beschluss betroffene Rechtsverhältnis besteht. Regelmäßig fehlt es zwar am Rechtsschutzinteresse für die Anfechtung eines Negativbeschlusses, wenn dieser für eine erneute Beschlussfassung der Wohnungseigentümer keine Sperrwirkung entfaltet (vgl. BGH v. 19.9.2002, V ZB 30/02, NZM 2002, 995/997).

    Anders ist die Lage aber insbesondere dann, wenn - wie hier - neben der Anfechtung des Negativbeschlusses (hier: mehrheitliche Ablehnung der Beschlussinhalte, dass der umstrittene Gartenanteil wieder geöffnet und ein dritter (umstrittener) Stellplatz freigehalten werden müsse) die Feststellung begehrt wird, dass die umstrittenen Flächen allen Wohnungseigentümern zur gemeinsamen Nutzung in Zukunft offen stehen müssten. Für den Antrag ist seinerseits das Rechtsschutzbedürfnis zu bejahen, wenn Antragsteller faktisch von der Nutzung dieser Flächen ausgeschlossen sind und deshalb ein rechtliches Interesse daran haben, dass durch richterliche Entscheidung alsbald festgestellt wird, ob für die betroffenen Flächen gegen sie wirkende Sondernutzungsrechte bestehen (vgl. § 256 ZPO).

  6. Somit entsprachen die Eigentümerbeschlüsse (Negativbeschlüsse) nicht ordnungsgemäßer Verwaltung und waren deshalb für ungültig zu erklären. Die gestellten Anträge wurden vom Gericht, wie von Antragstellerseite gewollt, ohne Bindung an den Wortlaut der Sachanträge ausgelegt.
 

Link zur Entscheidung

(BayObLG, Beschluss vom 02.02.2005, 2Z BR 222/04)

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