Leitsatz

Das FamG hatte den Eltern das elterliche Sorgerecht für ihre elf minderjährigen Kinder insgesamt entzogen. Gegen diese Entscheidung legten sie Beschwerde ein, die hinsichtlich acht Kindern insoweit erfolgreich war, als das Beschwerdegericht das elterliche Personensorgerecht für diese Kinder zwecks Durchführung sozialpädagogischer Maßnahmen im Rahmen der sozialpädagogischen Familienhilfe und der Gesundheitsfürsorge entzog und die elterliche Personensorge insoweit dem Jugendamt als Ergänzungspfleger übertrug. Im Übrigen verblieb es bei dem Personensorgerecht der Eltern. Hinsichtlich der drei weiteren Kinder wurde auch vom Beschwerdegericht den Eltern das elterliche Personensorgerecht insgesamt entzogen und dem Sozialdienst Katholischer Frauen als Ergänzungspfleger übertragen.

 

Sachverhalt

siehe Kurzzusammenfassung

 

Entscheidung

Das OLG hielt die Entscheidung des erstinstanzlichen Gerichts insoweit für fehlerhaft, als es den Eltern das elterliche Sorgerecht bezüglich aller Kinder insgesamt entzogen und den Entzug nicht teilweise lediglich auf Teilbereiche der elterlichen Personensorge beschränkt hatte. Es teilte die Auffassung des erstinstanzlichen Gerichts insoweit, als bezüglich drei Kindern die elterliche Personensorge insgesamt zu entziehen war.

Der Senat sah sich in der Lage, ohne erneute Anhörung der Beteiligten und der betroffenen Kinder im schriftlichen Verfahren zu entscheiden, nachdem der Sachverhalt aus seiner Sicht in erster Instanz umfänglich aufgeklärt worden war.

Unter anderem aus den Vorschriften der §§ 53a und 53b FGG ergebe sich, dass eine mündliche Verhandlung in Sorgerechtsverfahren nicht unbedingt erforderlich sei.

Die Kindeseltern wie auch die betroffenen Kinder seien während des familiengerichtlichen Verfahrens durch das FamG wie auch im Rahmen der Gutachtenerstellung wiederholt angehört worden. Anhaltspunkte dafür, dass der festgestellte Kindes- und Elternwille sich entscheidend geändert hätte, lägen nicht vor. Eine weitere Sachaufklärung sei aufgrund der sorgfältigen und umfassenden Tatsachenfeststellung des FamG wie auch der Feststellung der tatsächlichen Gegebenheiten im Zusammenhang mit der umfangreichen Gutachtertätigkeit durch Befragung der am "Helfersystem" beteiligten Personen nicht erforderlich. Das rechtliche Gehör aller Beteiligten sei ausreichend gewahrt.

Das erstinstanzliche Gericht habe in seiner Entscheidung nicht in allen Punkten den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit gewahrt, da es das Sorgerecht bezüglich aller Kinder den Eltern insgesamt entzogen habe. Es bestehe kein Zweifel daran, dass bezüglich der betroffenen Kinder sorgerechtliche Maßnahmen nach §§ 1666, 1666a BGB erforderlich seien. Eine Vermögensgefährdung liege jedoch nicht vor, so dass die zu treffenden Maßnahmen auf solche der Personensorge zu beschränken gewesen seien.

Den Entzug der Personensorge insgesamt hielt das OLG bezüglich acht der insgesamt elf Kinder für unverhältnismäßig. Eine gerichtliche Entscheidung, nach der die Trennung der Kinder von ihren Eltern vollzogen werden könne, wäre mit dem in Art. 6 Abs. 2 und Abs. 3 GG gewährleisteten Elternrecht nur dann vereinbar, wenn ein schwerwiegendes - auch unverschuldetes - Fehlverhalten der Eltern und entsprechend eine erhebliche Gefährdung des Kindeswohls vorliegen würde, denen nicht anders als durch Entzug der elterlichen Sorge zu begegnen wäre. Nicht jedes Versagen oder jede Nachlässigkeit der Eltern berechtige den Staat, diese von der Pflege und Erziehung ihrer Kinder auszuschalten oder gar selbst diese Aufgabe zu übernehmen (BVerfGE 24, 119 [144 f.] = NJW 1968, 2233).

Das elterliche Fehlverhalten müsse vielmehr ein solches Ausmaß erreichen, dass das Kind bei einem Verbleiben in der Familie in seinem körperlichen, geistigen oder seelischen Wohl nachhaltig gefährdet sei.

Eltern könnten grundsätzlich frei von staatlichen Einflüssen und Eingriffen nach eigenen Vorstellungen darüber entscheiden, wie sie die Pflege und Erziehung ihrer Kinder gestalten und damit ihrer Elternverantwortung gerecht werden wollten. In der Beziehung zum Kind müsse aber das Kindeswohl die oberste Richtschnur der elterlichen Pflege und Erziehung sein (BVerfG v. 9.2.1982 - 1 BvR 845/79, NJW 1982, 1375).

Nur wenn Eltern ihrer Verantwortung nicht gerecht würden, greife das Wächteramt des Staates nach Art. 6 Abs. 2 S. 2 GG ein; der Staat sei nicht nur berechtigt, sondern auch verpflichtet, die Pflege und Erziehung der Kinder sicherzustellen.

Eine Gefährdung des Kindeswohls könne eintreten, ohne dass die Eltern ein Schuldvorwurf treffe oder jedenfalls ihr Verschulden bewiesen werden könne. Eltern könnten trotz bestem Willen und persönlichem Einsatz der Erziehungsaufgabe nicht gewachsen sein. Die Feststellung der Schuld bereite insbesondere dann erhebliche Schwierigkeiten, wenn die Uneinsichtigkeit und die Unbelehrbarkeit der Eltern auf einer intellektuellen Minderbegabung beruhe. Weiter sei zu berücksichtigen, dass die ausdrückliche Feststellung eines Verschuldens in der familiengerichtlic...

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