Leitsatz
Das OLG Köln hatte über die internationale Zuständigkeit des LG Köln zu befinden, bei dem eine Zahlungsklage gegen eine in Südafrika gegründete Handelsgesellschaft (Ltd.) anhängig gemacht worden war. Die Beklagte machte geltend, sie habe keinen Gerichtsstand in Deutschland, da ihr Sitz in Kapstadt liege. Das LG Köln sah das anders und das OLG folgte ihm: Der alleinige Gesellschafter-Geschäftsführer wohnte in Deutschland und führte auch sämtliche Geschäfte der Beklagten von Geschäftsräumen im Landgerichtsbezirk Köln aus. In Südafrika verfügte weder er über einen Nebenwohnsitz noch die Gesellschaft über Geschäftsräume. Nach den tatsächlichen Feststellungen befand sich somit der Verwaltungssitz in Deutschland. Dieser ist nach Meinung des OLG Köln nach der nach wie vor geltenden Sitztheorie maßgebend und führe zum deutschen Gerichtsstand nach § 17 ZPO.
Hinweis
Die eigentlich interessante Aussage ist die Feststellung des Gerichts, dass die Sitztheorie außerhalb der Europäischen Union und des Anwendungsbereichs der Niederlassungsfreiheit nach Art. 43, 48 EGV bzw. sonstiger bilateraler Verträge fortgelte. Es stützt sich dabei auf den "Jersey-Beschluss" des BGH (BGH, NJW 2002, 3539, 3540). Dieses war allerdings der - missglückte - Rettungsversuch, mit dem die später ergangene "Überseering-Entscheidung" des EuGH (ZIP 2002, 2037) verhindert werden sollte. Inzwischen steht fest, dass die Sitztheorie zu Ergebnissen führt, die mit Art 48 EGV unvereinbar sind und der BGH jedenfalls insoweit der Gründungstheorie folgt (BGH, WM 2003, 836). Ob er außerhalb des Anwendungsbereiches der Art. 43, 48 EGV bei der bisherigen Anknüpfung am tatsächlichen Verwaltungssitz für die Bestimmung des Gesellschaftsstatuts festhält, ist noch nicht absehbar.
Dafür spricht, dass der Schutzzweck hinter der bisher vorherrschenden "Sitztheorie" nach wie vor seine Berechtigung hat: Die gesellschaftsrechtlichen Verhältnisse, die Strukturen, Vertretungs- und Haftungsverhältnisse sollen sich nach dem (nationalen) Recht richten, unter dessen Regime die Gesellschaft geführt und verwaltet wird und von wo ihre maßgeblichen Aktivitäten ausgehen. So wird insbesondere dem Gläubiger- und Arbeitnehmerschutz und den dem Schutz des hiesigen Rechtsverkehrs dienenden Bestimmungen im Gesellschaftsrecht Geltung verschafft (Kindler, NJW 2003, 1073). Der Gründungstheorie ist der BGH also nicht aus besserer Einsicht in die Überlegenheit dieser Theorie gefolgt, sondern weil höherrangiges Europa- bzw. Völkerrecht (zum deutsch-amerikanischen Freundschaftsvertrag BGH, ZIP 2003, 720) dies positivrechtlich verlangten.
In einer jüngeren Entscheidung ist das OLG Hamburg (Urt. v. 30.3.2007,11 U 231/04) dem OLG Köln gefolgt und hat die Sitztheorie auf eine auf der Isle of Man gegründete Gesellschaft angewendet. Das KG (NZG 2005, 758) hatte in einer früheren Entscheidung noch offen lassen können, ob es auf dort domizilierte Gesellschaften weiterhin die Sitztheorie anwenden wolle. Insgesamt aber scheint die Tendenz der Obergerichte dahin zu gehen, weiterhin die Sitztheorie anzuwenden, soweit nicht europäisches Recht (einschl. EWR) oder Völkerrecht ausdrücklich die Anerkennung der Auslandsgesellschaft nach ihrem Gründungsrecht verlangen.
Das ist auch deswegen bemerkenswert, weil die Bundesregierung in ihrem Gesetzentwurf zur Modernisierung des GmbH-Rechts und zur Bekämpfung von Missbräuchen vom 23.5.2007 (MoMiG) davon ausgeht, dass allein durch die Streichung von § 4a Abs. 2 GmbHG es deutschen GmbHs ermöglicht werden soll, ihren Verwaltungssitz im Ausland zu suchen. Verfestigte sich die Auffassung des OLG Köln bei den Gerichten und insbesondere auch beim BGH, würde dieses Ziel wohl jedenfalls nicht für das außereuropäische Ausland erreicht. Ob es für das europäische Ausland erreicht würde, hängt vom Ausgang des "Cartesio-Verfahrens" (ABl. EU C 165,17 ff.) beim EuGH und davon ab, ob der EuGH auch die "Wegzugsbeschränkungen" am Schutz des Art 48 EGV scheitern lassen will.
Link zur Entscheidung
OLG Köln, Urteil vom 31.01.2006, 22 U 109/05
Fazit:
Wer also mit dem Gedanken spielt, eine Auslandsgesellschaft zu gründen, um sie von Deutschland aus zu betreiben und hier lediglich von etwaigen Segnungen des ausländischen Gesellschaftsrechts zu profitieren, sollte Vorsicht walten lassen. Auf der sicheren Seite ist er nur, solange er sich im EU/EWR-Ausland oder in Drittstaaten bewegt, mit denen - wie etwa den USA - völkerrechtliche Abkommen bestehen, die die Anerkennung der Auslandsgesellschaft verlangen. Im Übrigen riskiert der Gründer, dass er nicht nur - wegen des dann am Verwaltungssitz anknüpfenden allgemeinen Gerichtsstandes - vor deutschen Gerichten verklagt wird, sondern dass diese deutschen Gerichte dann vor allem auch deutsches Gesellschaftsrecht anwenden und die ausländische Rechtsform nicht anerkennen. Die Folge ist, dass diese "Auslandsgesellschaften" dann als Gesellschaft bürgerlichen Rechts oder offene Handelsgesellschaft qualifiziert werden oder gar - wenn nur ein "Gesellscha...