Dr. Jens Tersteegen, Prof. Dr. Thomas Reich
Rz. 219
Unbeschränkte Erbschaft-/Schenkungsteuerpflicht ist immer dann gegeben, wenn der Erblasser/Schenker am Stichtag Inländer ist. Inländer sind grundsätzlich wie bei der Einkommensteuer – unabhängig von der Staatsangehörigkeit – natürliche Personen, die einen Wohnsitz (§ 8 AO) oder ihren gewöhnlichen Aufenthalt (§ 9 AO) in Deutschland haben. Steuerpflichtig ist dann das gesamte in- und ausländische Vermögen des Erblassers (Weltvermögen), unabhängig davon, ob dies von Inländern oder Ausländern i.S.d. Steuerrechts erworben wird.
Beispiel:
Erblasser E hat sich seinen Alterswohnsitz in Deutschland genommen. Seine Kinder und Erben wohnen im Ausland, wo sich auch der Großteil des Vermögens von E befindet. Der gesamte Nachlass unterliegt in Deutschland der unbeschränkten Erbschaftsteuerpflicht, da der Erblasser im Zeitpunkt des Todes Inländer war, und zwar unabhängig von seiner Staatsangehörigkeit.
Rz. 220
Ist der Erblasser nicht Inländer, besteht insoweit eine unbeschränkte Erbschaftsteuerpflicht, als der Erwerber Inländer ist. Unbeschränkt steuerpflichtig ist dann allerdings nur der Anteil des Weltvermögens, der auf inländische Erwerber übergeht. Das Vermögen von Nichtinländer, das auf Nichtinländer übergeht, unterliegt hingegen nur der beschränkten Steuerpflicht (§ 2 Abs. 1 Nr. 3 ErbStG). Teilungsanordnungen oder Erbauseinandersetzungsvereinbarungen sind für die Frage der Steuerpflicht grundsätzlich irrelevant; ein Miterbe ist daher bei unbeschränkter Steuerpflicht stets mit seinem quotalen Anteil am Weltvermögen steuerpflichtig.
Rz. 221
Darüber hinaus werden Erblasser mit deutscher Staatsangehörigkeit, die keinen Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt im Inland (mehr) haben, trotzdem als Inländer behandelt, wenn sie sich nicht länger als fünf Jahre vor ihrem Tod (oder der Ausführung der Schenkung) dauernd im Ausland aufgehalten haben, ohne im Inland einen Wohnsitz gehabt zu haben (sog. erweiterte unbeschränkte Erbschaftsteuerpflicht, § 2 Abs. 1 Nr. 1 S. 2 Buchst. b) ErbStG).
Rz. 222
Unbeschränkt erbschaftsteuerpflichtig sind nach § 2 Abs. 1 Nr. 1 S. 2 Buchst. c) ErbStG auch deutsche Staatsangehörige, die zu einer inländischen juristischen Person des öffentlichen Rechts in einem Dienstverhältnis stehen und dafür Arbeitslohn aus einer inländischen öffentlichen Kasse beziehen, sowie die zu ihrem Haushalt gehörenden Angehörige mit deutscher Staatsangehörigkeit. Voraussetzung ist ein aktives Dienstverhältnis; Pensionszahlungen erfüllen diese Voraussetzungen nicht. Eine öffentliche Kasse ist gegeben, wenn sie der Dienstaufsicht und Prüfung durch die öffentliche Hand unterliegt. Die Vorschrift gilt nach ihrem Wortlaut weder für von deutschen Unternehmen in das Ausland entsandte Mitarbeiter noch für Angestellte von deutschen Kapitalgesellschaften, mag ihr Alleingesellschafter auch eine Körperschaft des öffentlichen Rechts sein. Weitere Voraussetzung ist, dass im Wohnsitzstaat bzw. im Staat des gewöhnlichen Aufenthaltes der Nachlass bzw. Erwerb lediglich in einem der beschränkten Steuerpflicht ähnlichen Umfang zur Erbschaftsteuer herangezogen wird.
Rz. 223
Um eine Besteuerung nach Wegzug oder wegen eines Dienstverhältnisses zu einer deutschen juristischen Person des öffentlichen Rechts zu vermeiden, kann im Einzelfall untersucht werden, ob es möglich ist, auf die deutsche Staatsangehörigkeit zu verzichten, weil ein Fall der Doppelstaatsangehörigkeit vorliegt bzw. eine andere Staatsangehörigkeit erworben werden kann.
Rz. 224
Als Inländer gelten im Übrigen Körperschaften, Personenvereinigungen und Vermögensmassen, die ihre Geschäftsleitung (§ 10 AO) oder ihren Sitz (§ 11 AO) im Inland haben (§ 2 Abs. 1 Nr. 1 S. 2 Buchst. d) ErbStG). Der am 1.1.2024 in Kraft getretene § 2a ErbStG regelt nunmehr Fragen zu rechtsfähigen Personengesellschaften bei der Erbschaft- und Schenkungsteuer. Das Vermögen von rechtsfähigen Personengesellschaften wird trotz der zivilrechtlichen Änderungen durch das MoPeG (auch) bei der Erbschaft- und Schenkungsteuer weiterhin als Gesamthandsvermögen behandelt.