a) Hin- und Herzahlen
Rz. 70
Bei der Bargründung einer Gesellschaft treten immer wieder die Fälle des sog. Hin- und Herzahlens auf. Diese Sachverhalte zeichnen sich dadurch aus, dass der zur Bareinlage verpflichtete Gesellschafter seine Leistung erbringt und diese kurze Zeit später – regelmäßig in Form eines Darlehens – von der Gesellschaft zurückerhält. Besonders häufig anzutreffen sind derartige Konstellationen im Rahmen der Gründung von Tochtergesellschaften in Konzernverhältnissen (hier sind derartige Sachverhalte in der Rechtsprechung und Literatur unter dem Stichwort "cash-pooling" zu finden) sowie im Bereich der Gründung von GmbH & Co. KG, bei denen die Bareinlagen der GmbH der Kommanditgesellschaft als Darlehen ausgereicht werden. Diese Sachverhalte haben zu einer Flut von gerichtlichen Entscheidungen geführt, die die Problematik unter dem Gesichtspunkt der Kapitalerhaltung (§§ 30, 31 GmbHG) sowie auch der Kapitalaufbringung beleuchten. Mit dem durch das MoMiG neu geschaffenen § 19 Abs. 5 GmbHG legalisiert der Gesetzgeber die Fälle des Hin- und Herzahlens, sofern der Sachverhalt gegenüber dem Handelsregister bei Anmeldung der Gesellschaft offen gelegt wird und die Rückzahlung der Bareinlagen an den Gesellschafter durch einen liquiden, vollwertigen Rückzahlungsanspruch gedeckt ist und es sich um keine verdeckte Sacheinlage i.S.d. § 19 Abs. 4 GmbHG handelt (vgl. dazu Rdn 71).
Sind die Voraussetzungen des § 19 Abs. 5 GmbHG erfüllt, so hat der Gründer seine Bareinlageverpflichtung erbracht. Ist jedoch eine der vorgenannten Voraussetzungen nicht erfüllt, führt dies nach dem "Alles-oder-Nichts-Prinzip" dazu, dass die Bareinlage in vollem Umfang als nicht erbracht gilt und der Geschäftsführer sich ggf. wegen der Abgabe einer falschen Versicherung strafbar gemacht hat.
Die Frage, wer die Beweislast für das Vorliegen der Voraussetzungen des § 19 Abs. 5 GmbHG trägt, hat der Gesetzgeber erstaunlicherweise offengelassen. Wegen des Charakters der Vorschrift als Ausnahmeregelung und vor dem Hintergrund des Gläubigerschutzes sprechen viele Anhaltspunkte dafür, dem Gesellschafter die Beweislast aufzuerlegen. Bei erkannten Fällen verdeckter Sacheinlage (siehe Rdn 71) ist den Beteiligten dringend zu raten, zeitnah Wertgutachten einzuholen, um damit späteren Auseinandersetzungen – insbesondere mit einem Insolvenzverwalter – gewappnet zu sein.
b) Verdeckte Sacheinlage
Rz. 71
Abzugrenzen von den Sachverhalten des zulässigen Hin- und Herzahlens (siehe Rdn 70) sind die Fälle der sog. verdeckten Sacheinlage. Eine solche verdeckte Sacheinlage nimmt die Rechtsprechung dann an, wenn die gesetzlich vorgegebenen Regeln für Sacheinlagen dadurch umgangen werden, dass zwar in der notariellen Gründungsurkunde eine Bareinlage vereinbart wird, die gegründete Gesellschaft aber bei wirtschaftlicher Betrachtung aufgrund einer im Zusammenhang mit der Gründung getroffenen Absprache vom Gesellschafter einen Sachwert erhält. Der Paradefall ist die Einzahlung des Stammkapitals, wobei von vorneherein vereinbart ist, dass mit dem so eingezahlten Stammkapital Sachwerte des Gründungsgesellschafters durch die Gesellschaft erworben werden. Die Folgen der verdeckten Sacheinlage waren für die betroffenen Gesellschafter vor der Reform des GmbHG durch das MoMiG verheerend: Die Verpflichtung zur Bareinlage blieb bestehen; das schuldrechtliche Umsatzgeschäft war gem. § 27 Abs. AktG nichtig, was nach der neueren Rechtsprechung des BGH auch für das dingliche Rechtsgeschäft galt.
Rz. 72
Durch das MoMiG sind die so durch die Rechtsprechung festgelegten Rechtsfolgen etwas abgemildert worden, gleichwohl bleibt für die Gesellschafter ein Restrisiko, das nicht eingegangen werden sollte. Seit dem MoMiG ist der Begriff der verdeckten Sacheinlage gesetzlich definiert (§ 19 Abs. 4 Satz 1 GmbHG). Die früher noch von der Rechtsprechung unterstellte Umgehungsabsicht der Bargründungsvorschriften verlangt das Gesetz nicht mehr. Im Übrigen ist die Tatbestandsseite der verdeckten Sacheinlage unverändert geblieben, jedoch hat der Gesetzgeber die Rechtsfolgenseite verändert. Seit dem MoMiG wird der Wert der verdeckten Sacheinlage von Gesetzes wegen auf die grundsätzlich fortbestehende Bareinlagepflicht des betreffenden Gesellschafters automatisch angerechnet. Für die Anrechnung bedarf es keiner Verrechnungsabrede oder Zustimmung der übrigen Gesellschafter. Die Beweislast für die Werthaltigkeit der verdeckt geleisteten Sacheinlage trägt der betreffende Gesellschafter (§ 19 Abs. 4 Satz 5 GmbHG). Er ist nachweispflichtig dafür, dass die von ihm verdeckt geleistete Sacheinlage zum Zeitpunkt des Einlagegeschäfts den Wert der zu erbringenden Bareinlage abdeckt. Diese Regelung mindert die Folgen der verdeckten Sacheinlage erheblich ab, gleichwohl wird es dem betreffenden Gesellschafter nach einem längerem Zeitraum (denn regelmäßig fallen verdeckte Sacheinlagen erst dem Insolvenzverwalter auf) schwerfallen, die Werthaltigkeit des Gegenstandes zum Leistungs...