Dr. Jens Tersteegen, Prof. Dr. Thomas Reich
1. Grundsätze
Rz. 164
Unterschieden werden verschiedene Arten der Nachlassverbindlichkeiten:
Rz. 165
Von Erblasserschulden spricht man im Hinblick auf alle noch vom Erblasser begründeten (vertraglichen oder gesetzlichen) Verbindlichkeiten, die aufgrund der Universalsukzession auf den oder die Erben übergehen (§ 1967 Abs. 1, Abs. 2 Fall 1 BGB). Erblasserschulden sind auch die in der Person des Erben entstehenden Verbindlichkeiten, die als solche schon dem Erblasser entstanden wären, wenn er nicht vor Eintritt der zu ihrer Entstehung nötigen weiteren Voraussetzungen verstorben wäre (beispielsweise ein bedingter Rückforderungsanspruch). Der Übergang der Verbindlichkeiten auf den Erben setzt allerdings voraus, dass diese nicht mit dem Tod erlöschen. So gehen beispielsweise Unterhaltspflichten gegenüber Verwandten, dem Ehepartner oder dem Lebenspartner nicht auf die Erben über.
Rz. 166
Ebenfalls zu den Nachlassverbindlichkeiten gehören die sog. Erbfallschulden (§ 1967 Abs. 2 Fall 2 BGB). Dies sind die den Erben als solchen treffenden Verbindlichkeiten, d.h. solche Verbindlichkeiten, die ihren Rechtsgrund entweder in dem Willen des Erblassers oder unmittelbar im Gesetz haben. Hierzu gehören insbesondere die Verbindlichkeiten, die aus dem Pflichtteilsrecht oder aus Vermächtnissen und Auflagen herrühren. Ebenso die Erbfallverwaltungskosten, d.h. z.B. die Kosten für die Eröffnung der Verfügung von Todes wegen, die Sicherung des Nachlasses, die Errichtung des Nachlassinventars, einer Nachlasspflegschaft, der Nachlassverwaltung oder einer Testamentsvollstreckung. Ebenfalls eine Erbfallschuld stellt die Zugewinnausgleichsforderung des überlebenden Ehegatten dar. Auch die Erbschaftsteuer ist Erbfallschuld.
Rz. 167
Schließlich gehören zu den Nachlassverbindlichkeiten noch die sog. Nachlasserbenschulden. Diese entstehen aus Rechtshandlungen des Erben im Rahmen einer ordnungsgemäßen Nachlassverwaltung, sofern das Rechtsgeschäft zur Abwicklung des Nachlasses gehört. Grundsätzlich sind solche Nachlasserbenschulden Eigenschulden des Erben, für die er mit seinem Privatvermögen haftet. Handelt es sich aber um eine Verbindlichkeit, die zur ordnungsgemäßen Verwaltung des Nachlasses eingegangen wurde, so haftet auch der Nachlass. Für den Erben besteht aber auch die Möglichkeit, mit dem Gläubiger zu vereinbaren, dass entweder nur der Erbe mit seinem Eigenvermögen oder (so der häufigere Fall) nur der Nachlass haftet.
2. Beschränkung der Erbenhaftung
Rz. 168
Grundsätzlich haften die Erben unbeschränkt für sämtliche Nachlassverbindlichkeiten, d.h., die Erben haften mit dem Nachlass, aber auch mit ihrem sonstigen Vermögen. Die Erben können also ein erhebliches Interesse an der Herbeiführung einer Haftungsbegrenzung haben.
Rz. 169
Gemäß § 1970 BGB können die Nachlassgläubiger im Wege des Aufgebotsverfahrens zur Anmeldung ihrer Forderungen aufgefordert werden. Das Aufgebotsverfahren selbst richtet sich dabei nach den §§ 989–1000 und §§ 946–959 ZPO. Melden Gläubiger sich nicht innerhalb einer vom Nachlassgericht gesetzten Frist, kann der Erbe die Befriedigung dieser Gläubiger gem. § 1973 BGB verweigern, soweit der Nachlass durch die Befriedigung der nicht ausgeschlossenen Gläubiger erschöpft wird. Hinsichtlich der ausgeschlossenen Gläubiger beschränkt sich die Haftung also auf den Nachlass. Hinsichtlich der Gläubiger, die sich im Aufgebotsverfahren gemeldet haben, kommt es dagegen nicht zu einer Haftungsbeschränkung.
Rz. 170
Die Haftung des Erben beschränkt sich allerdings dann gem. § 1975 BGB auf den Nachlass, wenn die Nachlassverwaltung angeordnet bzw. das Nachlassinsolvenzverfahren eröffnet wird. Die Nachlassverwaltung ist ein besonderer Fall der Nachlasspflegschaft (§ 1975 BGB). Auf Antrag des Erben, eines Testamentsvollstreckers oder eines Gläubigers wird die Nachlasspflegschaft zum Zwecke der Befriedigung der Nachlassgläubiger vom Nachlassgericht angeordnet. Der Erbe verliert die Befugnis, über den Nachlass zu verfügen. Die Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis geht auf den Nachlassverwalter über (§ 1981 BGB). Die Anordnung der Nachlassverwaltung führt dazu, dass für Nachlassverbindlichkeiten nur noch der Nachlass und nicht mehr...