Rz. 418

Mit dem Zuschlag wird der Ersteher Eigentümer des Grundstücks und der mitversteigerten Gegenstände (§ 90 ZVG), falls der Zuschlag nicht im Beschwerdeweg aufgehoben wird. Sein Eigentum ist also zwischen Zuschlag und Rechtskraft "temporär in der Schwebe" (Eickmann)[303] und dieses Eigentum gilt als nie erworben, wenn der Beschluss rechtskräftig aufgehoben wird. Insoweit wirkt die Rechtskraft "auf den Zuschlag zurück".

Aus Sicht der Beteiligten der Zwangsverwaltung hat somit der Zuschlagsbeschluss nur eine einzige Wirkung. Er beseitigt das Befriedigungsrecht des Gläubigers an den Erträgen der Zwangsverwaltung, die auf die Zeit nach dem Zuschlag fallen. Da aber das Besitz- und Verwaltungsrecht des Zwangsverwalters vom Fortbestand der materiellrechtlichen Beschlagnahme (= Befriedigungsrecht des Gläubigers) unabhängig weiter besteht, wird es vom Zuschlag nicht berührt und kann nur durch eine Entscheidung, welche im Zwangsverwaltungsverfahren zu ergehen hat, beseitigt werden.

 

Rz. 419

Von dieser Überlegung ausgehend bestimmt – zutreffend – die allgemeine Meinung, dass das Gericht die Zwangsverwaltung erst aufheben darf, wenn der Zuschlagsbeschluss rechtskräftig geworden ist. Diese Zeit der Ungewissheit wird kaum mehr als drei bis vier Wochen betragen, wenn kein Rechtsbehelf eingelegt wird. Sie kann sich aber sehr verlängern, wenn einer der Beteiligten den Zuschlag anficht und das Landgericht nicht unverzüglich über den Rechtsbehelf entscheidet. Wird gegen diese Entscheidung des Landgerichts die Rechtsbeschwerde neuer Fassung zugelassen, können Monate vergehen, bis der Ersteher sicherer Eigentümer geworden ist.

 

Rz. 420

Gelegentlich wird zur Rechtfertigung einer sofortigen Aufhebung auf den Schutz des § 94 ZVG verwiesen und vorgeschlagen, diese Regelung häufiger anzuwenden. Dabei wird übersehen, dass diese Vorschrift keinen der Zwangsverwaltung entsprechenden Schutz gewährt. Sie schützt nur vor den Folgen der Nichtzahlung des Meistgebotes, nicht aber vor den Folgen einer Aufhebung des Zuschlagsbeschlusses durch das Beschwerdegericht. Außerdem ist das Verfahren nach § 94 ZVG bezüglich der Vergütung des Zwangsverwalters ein eigenes Verfahren. Er erhält also meist die Mindestgebühr, welche nach allgemeiner Meinung vom Ersteher zu tragen ist, während er nach überwiegender Auffassung die anteilige Vergütung des Verwalters zwischen Zuschlag und Aufhebung nicht zu tragen hat (siehe dazu § 1 Rn 455); wegen des Verfahrens zu § 94 ZVG allgemein siehe unten (vgl. § 4 Rn 1044 ff.).

 

Rz. 421

Ein böswilliger Ersteher könnte also das Meistgebot hinterlegen (und damit den Schutz des § 94 ZVG beenden), sodann den Besitz ergreifen, die Wohnung verwüsten, mitversteigertes Zubehör entfernen oder "Mietnomaden" in die Wohnung setzen und sich nach Aufhebung des Zuschlagsbeschlusses das hinterlegte Meistgebot wieder auszahlen lassen.

Auch könnte die aufgehobene Zwangsverwaltung mit Rückwirkung nicht wieder hergestellt werden, sondern müsste mit allen Konsequenzen neu angeordnet werden.[304]

 

Rz. 422

Auch das Argument, dass bei einer Zwangsversteigerung ohne Zwangsverwaltung ein solcher Schutz nicht bestünde, geht fehl. In diesem Fall hat der Schuldner auch noch nach dem Zuschlag "Besitz" und kann deshalb einen verfrühten Zugriff des Erstehers abwehren.[305] Die Zwangsverwaltung hat jedoch dem Schuldner den Besitz entzogen, womit er diesen Schutz verloren hat. Nach dem Zuschlag kann ihm auch im Falle der verfrühten Aufhebung der Besitz nicht mehr zurück übertragen werden, da dieser jetzt dem Ersteher zusteht. Somit wäre der Schuldner wegen der Zwangsverwaltung dem Ersteher schutzlos ausgeliefert.

[303] Steiner-Eickmann, § 90 ZVG Rn 22.
[304] Hierzu hat der BGH (BGHZ 39, 235) ausgeführt: "Er übernimmt das Grundstück in dem Bewusstsein, dass für ihn auch ein nach dem Zuschlag handelnder Zwangsverwalter da ist".
[305] Selbst wenn das Vollstreckungsgericht vor Rechtskraft des Zuschlagsbeschlusses dem Ersteher eine Klausel auf Räumung gegen den Schuldner erteilt, wird es diesem regelmäßig gelingen, durch Rechtsbehelfe die eigentliche Räumung bis zur Rechtskraft zu verzögern.

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