Dr. Wolf-Dietrich Deckert†
Leitsatz
- Rechnungslegungspflicht des abberufenen Verwalters als unvertretbare Handlung vollstreckbar
- Erfüllungseinwand des Schuldners muss grundsätzlich im Vollstreckungsabwehrverfahren geltend gemacht werden
Normenkette
(§§ 28 Abs. 4, 45 Abs. 3 WEG; § 259 BGB; §§ 887, 888, 891 ZPO; §§ 139, 278 Abs. 3, 568 Abs. 2, 767 ZPO a.F.)
Kommentar
1. Im vorliegenden Vollstreckungsverfahren war das Rechtsmittel nach § 45 Abs. 3 WEG i. V. m. § 793 Abs. 2 ZPO a.F. (siehe § 26 Nr. 10 EGZPO) als sofortige weitere Beschwerde statthaft. Bei der angegriffenen Vollstreckungsentscheidung handelte es sich um eine solche nach § 888 Abs. 1 ZPO. In der Entscheidung des LG war auch ein neuer selbstständiger Beschwerdegrund enthalten, sodass § 568 Abs. 2 ZPO a.F. der Zulässigkeit der Beschwerde nicht entgegenstand. Verfahrensverstöße auch bei inhaltlich übereinstimmenden Vorentscheidungen stellen einen neuen selbstständigen Beschwerdegrund dar, wenn der Fehler nicht schon dem AG unterlaufen, also neu ist (h.M.). Vorliegend ist dem LG ein Verstoß gegen den Grundsatz des rechtlichen Gehörs unter dem Gesichtspunkt einer Überraschungsentscheidung unterlaufen; es besteht nämlich eine Hinweispflicht des Gerichts, wenn es von einer Rechtsansicht abweichen will, die es zuvor den Beteiligten mitgeteilt hat (BVerfG, NJW 1996, 3202). Der Schuldner brauchte nicht damit zu rechnen, die Kammer werde sein Rechtsmittel deshalb zurückweisen, weil die den Gläubigern überlassenen Unterlagen nicht als vollständige Rechnungslegung zu erachten sind.
2. Während nach wohl überwiegender Meinung in Rechtsprechung und Literatur die Erstellung einer Jahresabrechnung nach § 28 Abs. 3 WEGals vertretbare Handlung der Vollstreckung nach § 887 ZPO unterliegt, erachtet der Senat eine Rechnungslegungspflicht nach § 28 Abs. 4 WEG als unvertretbare Handlung, die nach § 888 ZPO zu vollstrecken ist. Diese Verpflichtung betrifft das Innenverhältnis zwischen Verwalter und Eigentümern, welches durch den Verwaltervertrag geprägt ist; dieser ist ein Geschäftsbesorgungsvertrag, der unmittelbar eine Rechnungslegungspflicht auch nach § 666 BGB begründet. Deren Inhalt bestimmt sich nach § 259 BGB und beschränkt sich nicht nur auf eine auch durch Dritte erbringbare Abrechnung in Form der Vorlage einer geordneten Aufstellung der Einnahmen und Ausgaben. Vielmehr umfasst die Verpflichtung auch, den Auftraggeber über die Einzelheiten der Auftragsausführung in verkehrsüblicher Form zu informieren und ihm die notwendige Übersicht über das Besorgte zu verschaffen. Dies gilt selbst dann, wenn eine Pflicht zur Herausgabe nach § 767 ZPO nicht besteht. Demnach erfordert die Erfüllung der Rechnungslegungspflicht im allgemeinen Kenntnisse, die nur der Verwalter selbst, nicht auch ein Dritter haben kann (vgl. Nieß, NZM 1999, 832; OLG Köln, WM 1998, 375/377).
3. Der Einwand der Erfüllung eines solchen Anspruchs auf Vornahme einer nicht vertretbaren Handlung ist grundsätzlich dem Vollstreckungsabwehrverfahren gem. § 767 ZPO vorbehalten. Im Vollstreckungsverfahren ist der Einwand jedenfalls dann zu beachten, wenn über ihn anhand des Akteninhalts ohne weiteres entschieden werden kann. Vorliegend waren die vom Schuldner vorgelegten Abrechnungsunterlagen erkennbar unvollständig. Im Rahmen einer Rechnungslegung hätten auch die Zu- und Abgänge auf dem Girokonto und insbesondere auch auf dem Instandhaltungsrücklagekonto belegt werden müssen. Ergänzungsansprüche können auch im Wege der Zwangsvollstreckung, hier also durch Festsetzung von Zwangsgeld oder Zwangshaft durchgesetzt werden.
4. Vorliegend wurde ein Zwangsgeld von 2.000 EUR festgesetzt, ersatzweise für den Fall, dass dieses nicht beigetrieben werden kann, je 200 EUR ein Tag Zwangshaft.
5. Über die Kosten des Zwangsvollstreckungsverfahrens hat das Wohnungseigentumsgericht als Gericht des ersten Rechtszugs zu entscheiden; für die Entscheidung gelten über § 45 Abs. 3 WEG nach § 891 Satz 3 ZPO (siehe Art. 1 Nr. 30 der 2. Zwangsvollstreckungsnovelle v. 17.12.1997, BGBl I, 3039) die §§ 91 - 93, 95 - 100, 106 u. 107 ZPO analog.
Für die Kostenentscheidung des Beschwerdegerichts gilt folgerichtig nicht § 47 WEG, sondern § 97 Abs. 1 ZPO.
6. Der Wert des Beschwerdegegenstands wurde vom Senat nach § 3 ZPO unter Berücksichtigung der Währungsumstellung für den 2. und 3. Rechtszug einheitlich auf 2.000 EUR festgesetzt (Vollstreckungsinteresse der Gläubiger).
7. Auch außergerichtliche Kostenerstattung der Vollstreckungsschuldnerin im 3. Rechtszug.
Link zur Entscheidung
( BayObLG, Beschluss vom 18.04.2002, 2Z BR 9/02, BayObLGZ 2002 Nr. 21)