Rz. 49
Nachdem der Testamentsvollstrecker das Amt angenommen und gemäß § 2205 BGB den Nachlass in Besitz genommen hat, hat er ihn nach Maßgabe des § 2216 BGB zu verwalten und als Einheit zu erhalten, um die gerechte Auseinandersetzung unter den Miterben im Rahmen einer ordnungsgemäßen Erfüllung der Verfügungen zu gewährleisten.
Unter die "ordnungsgemäße" Verwaltung i. S. d. § 2216 BGB fallen alle zumindest zweckmäßigen Maßnahmen zur Erhaltung, Sicherung, Nutzung, Verwertung und -mehrung. Er hat dabei wie ein "dynamischer Geschäftsführer" zu handeln, sodass er keineswegs immer den sichersten Weg (Stichwort: "mündelsichere" Anlage) gehen muss, sondern sogar Spekulationsgeschäfte tätigen darf.
Die Grenze des Erlaubten stellt dabei grundsätzlich das abwägbare Risiko dar. Unterdessen sind ihm unentgeltliche Verfügungen nach § 2205 BGB grundsätzlich untersagt.
Übersteigt die Verwaltung die subjektiven Fähigkeiten und Kenntnisse des Testamentsvollstreckers, so hat er sich fachkundig beraten zu lassen.
9.1.1 Nachlassverzeichnis
Rz. 50
Unverzüglich nach der Amtsannahme ist der Testamentsvollstrecker gegenüber den Erben bzw. jedem Miterben verpflichtet, ein Nachlassverzeichnis zu erstellen, § 2215 Abs. 1 BGB. Da das Nachlassverzeichnis das wichtigste Kontrollmittel des Erben ist, meint unverzüglich "ohne schuldhaftes Zögern" i. S. d. § 121 Abs. 1 BGB. Folglich darf der Testamentsvollstrecker nicht abwarten, bis ihm das Testamentsvollstreckerzeugnis erteilt worden ist. Die Verpflichtung besteht vielmehr sogleich nach dem Erbfall und sobald der Testamentsvollstrecker den Umfang des Vermögens übersieht. Eine Aufforderung muss nicht erfolgen. Zwar ist eine Befreiung wegen § 2220 BGB nicht möglich, allerdings kann der Erbe auf den Schutz verzichten.
Wenngleich nach dem Wortlaut des § 2215 Abs. 1 BGB die Verpflichtung zur Errichtung eines Nachlassverzeichnisses nur gegenüber den Erben besteht, hat auch ein Nacherbe nach Eintritt des Erbfalls oder ein Pfändungsgläubiger des Erbteils wie auch ein Nießbrauchsberechtigter an einem Erbteil oder an der Erbschaft den Anspruch, vgl. §§ 1035, 1068 BGB. Indessen besteht eine entsprechende Verpflichtung gegenüber dem Vermächtnisnehmer oder Auflagenbegünstigten sowie gegenüber Pflichtteilsberechtigten grundsätzlich nicht. Eine mittelbare Verpflichtung kann sich jedoch aus der Haftungsnorm des § 2219 BGB ergeben.
Die Pflicht zur Errichtung des Nachlassverzeichnisses besteht gegenüber dem Erben, dem Nacherben nach Eintritt des Erbfalls, dem Pfandgläubiger eines Erbteils und dem Nießbrauchsberechtigten an einem Erbteil oder der Erbschaft, nicht aber gegenüber dem Vermächtnisnehmer, Auflagenbegünstigten oder Pflichtteilsberechtigten.
Kündigt der Testamentsvollstrecker noch vor Erstellung des Verzeichnisses zur Unzeit, hat er den Berechtigten den hieraus resultierenden Schaden zu ersetzen. Aufgrund der Verpflichtung, das Nachlassverzeichnis unverzüglich zu errichten, ist wohl stets eine Kündigung zur Unzeit anzunehmen.
Aus Haftungsgründen ist von der Kündigung der Testamentsvollstreckung vor Errichtung des Nachlassverzeichnisses dringend abzuraten.
Rz. 51
Im Nachlassverzeichnis sind alle Nachlassgegenstände und -rechte, die der Verwaltung des Testamentsvollstreckers tatsächlich unterliegen und die bekannten Nachlassverbindlichkeiten aufzulisten (Grundsatz der Vollständigkeit der Nachlasserfassung). Nachlassverbindlichkeiten sind nach § 1967 Abs. 2 BGB sowohl die vom Erblasser herrührenden Schulden (Erblasserschulden) als auch die aus Anlass des Erbfalls den Erben als solchen treffenden Schulden (Erbfallschulden). Da Steuerschulden dann Nachlassverbindlichkeiten sind, wenn sie in der Person des Erblassers entstanden bzw. generell Steuerschulden des Erblassers sind, sind auch sie in das Verzeichnis aufzunehmen. Mithin sind alle Aktiva und Passiva in das Verzeichnis aufzunehmen.
Sämtliche Gegenstände und Rechte müssen allein auf Grundlage des Verzeichnisses individualisierbar sein, sodass z. B. eine nur summarische Bezeichnung von Wertpapieren nicht ausreichend ist.
Auf Unsicherheiten in Bezug auf die Vollständigkeit des Verzeichnisses hat der Testamentsvollstrecker ebenso ausdrücklich hinzuweisen wie auf aus seiner Sicht seit dem Erbfall eingetretene Veränderungen.
Belege und Wertangaben sind dem Nachlassverzeichnis jedoch nicht beizufügen, da es nicht mit dem Inventar im Sinne von § 2001 BGB gleichzusetzen ist. Ungeachtet dessen ist der Testamentsvollstrecker gemäß § 2215 Abs. 1 BGB dazu verpflichtet, dem Erben bei der Errichtung des Inventars zu helfen.
Sollte der Testamentsvollstrecker seine ihm obliegende Verpflichtung zur Beihilfe gegenüber dem Erben verweigern, so hat letzterer die Möglichkeit, seinen Anspruch gerichtlich durchzusetzen.
Nach § 2215 Abs. 2 BGB ist das Verzeichnis mit der Angabe des Tages seiner Aufnahme zu versehen und vom Testamentsvollstrecker zu unterzeichnen. Auf Verlangen eines Erben hat der Testamentsvollstrecker seine Unterzeichnung gemäß § 129 BGB, §§ 36, 39, 40, 63 Be...