Leitsatz

Ausgangslage:

Die bei der Gründung oder Kapitalerhöhung geleisteten Bareinlagen müssen so an die AG gezahlt werden, dass sie endgültig dem Vorstand zur "freien Verfügung" stehen (§ 36 Abs. 2 AktG). Wird hingegen eine Bareinlage durch eine Geldzahlung erbracht, die an den Aktionär wieder zurück gezahlt wird, handelt es sich um einen Fall des "Hin- und Herzahlens". Wird dies gegenüber dem Handelsregister nicht offengelegt, muss der Aktionär den gesamten Betrag - wie bei der GmbH - nochmals an die AG zahlen (§ 27 Abs. 4 AktG).

Werden statt einer Bareinlage Sacheinlagen vom Aktionär eingebracht (z.B. Maschinen, ein Grundstück, ein Unternehmen etc.), so müssen in der Satzung der AG insbesondere der Gegenstand und der Wert der Sacheinlage festgelegt werden, um dem Registergericht die Kontrolle zu ermöglichen, ob der Wert des Gegenstands mindestens dem Nennbetrag der Aktien entspricht. Bringt der Aktionär in die AG eine Sacheinlage ein, ohne dies gegenüber dem Handelsregister offenzulegen ("verdeckte Sacheinlage"), z.B. indem er Bargeld an die AG zahlt, die AG dieses Geld aber gleich wieder zum Kauf einer Maschine von dem Aktionär verwendet, bleibt die Geldeinlagepflicht - wie bei der GmbH - bestehen. Der Wert des Vermögensgegenstands wird jedoch auf die fortbestehende Geldeinlagepflicht angerechnet (§ 27 Abs. 3 AktG).

Für die GmbH hat der BGH entschieden, dass die Vereinbarung von Dienstleistungen mit einem Gesellschafter, der eine Bareinlage erbringt und der danach für die Erbringung der Dienstleistung eine Vergütung erhält, weder ein Fall der verdeckten Sacheinlage, noch ein Fall des Hin- und Herzahlens ist und damit nicht gegen die Kapitalaufbringungsregelungen verstößt (BGH, Urteil v. 16.2.2009, II ZR 120/07, "Qivive").

BGH-Urteil:

Diese Rechtsauffassung hat der BGH in seiner Entscheidung vom 16.2.2009 nun auch für die AG bestätigt, wenn der Aktionär eine Bareinlage erbringt und ihm später für die Erbringung einer Dienstleistung eine Vergütung gezahlt wird.

Zwar bestehen bei einer Dienstleistung zum einen Zweifel an der freien Verfügbarkeit, da die Einlage (ganz oder teilweise) wirtschaftlich wieder an den Aktionär zurückfließt. Der BGH lässt es jedoch für die freie Verfügbarkeit der Bareinlage genügen, dass das Geld in den Geldkreislauf der Gesellschaft eingespeist wird, ohne für die Bezahlung der Dienstleistung reserviert zu sein. Es handelt sich daher nicht um einen Fall des Hin- und Herzahlens.

Zwar kann es außerdem auch bei einer Dienstleistung - wie bei einem Gegenstand - zweifelhaft sein, ob der Wert der Dienstleistung dem dafür von der AG gezahlten Geldbetrag entspricht. Dennoch wird der AG und dem Aktionär - wie bei der GmbH - nicht auferlegt, die Art und den Wert der Dienstleistung in der Satzung anzugeben. Bei Nichtangabe in der Satzung handelt es sich daher auch nicht um einen Fall der verdeckten Sacheinlage. Denn § 27 Abs. 2 AktG ordnet ausdrücklich an, dass eine Dienstleistungsverpflichtung keine Sacheinlage, d.h. nicht sacheinlagefähig, ist. Diese Regelung wird damit begründet, dass die Erbringung von Dienstleistungen - anders als die Übertragung von Vermögensgegenständen - nicht ohne Weiteres im Wege der Zwangsvollstreckung durchgesetzt werden könne. Außerdem hätte der Gesellschafter oder Aktionär ansonsten nach Durchführung der Gründung oder Kapitalerhöhung keine Möglichkeit als Geschäftsführer oder Vorstand eine Vergütung für seine Dienste zu erhalten.

 

Hinweis

Die Entscheidung bestätigt, dass die für die GmbH geltende Rechtslage auch für die AG gilt. Dies ist nicht überraschend, da die Regelung des § 27 Abs. 2 AktG (die der BGH in seiner "Qivive-Entscheidung" analog auf die GmbH anwandte) ausdrücklich anordnet, dass Dienstleistungen nicht sacheinlagefähig sind. Wenn demzufolge die Sacheinlagevorschriften für Dienstleistungen nicht gelten, ist eine Umgehung dieser Vorschriften (im Wege einer sog. "verdeckten Sacheinlage") nicht möglich.

Im Ergebnis unterbleibt daher zwar eine Kontrolle der Werthaltigkeit der Dienstleistung durch das Registergericht. In der Praxis können jedoch die anderen Aktionäre und die Gläubiger der AG nicht sanktionslos benachteiligt werden: Denn sofern die Dienstleistungen nicht marktüblich (nach einem sog. "Marktvergleich" oder dem arm's-length-Prinzip), sondern überhöht vergütet werden, handelt es sich um eine unzulässige Rückgewähr von Einlagen, die vom Aktionär zurückzuzahlen sind (§§ 57, 62 AktG). Können die Rückzahlungsansprüche gegen den Aktionär - z.B. wegen fehlender Liquidität - nicht mehr durchgesetzt werden, haftet der Vorstand gegenüber der AG, da der Vorstand die überhöhte Vergütung nicht hätte bezahlen dürfen.

 

Link zur Entscheidung

BGH, Urteil vom 01.02.2010, II ZR 173/08

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