Leitsatz
1. Art. 26a der 6. EG-RL ist dahin auszulegen, dass lebende Tiere als Gebrauchtgegenstände i.S. dieser Vorschrift anzusehen sind.
2. Als Gebrauchtgegenstand i.S. dieser Vorschrift kann daher ein Tier angesehen werden, das von einer Privatperson (die nicht der Züchter ist) gekauft worden ist und nach einer Ausbildung zu einer speziellen Verwendung weiterverkauft wird.
Normenkette
Art. 26a der 6. EG-RL (vgl. § 25a UStG)
Sachverhalt
Ein Unternehmer beabsichtigte, junge Pferde von Privatpersonen, die keine Züchter sind, zu erwerben, diese zu Reitpferden auszubilden und dann weiterzuverkaufen. Die schwedische Finanzverwaltung hatte Zweifel, ob die Differenzbesteuerung anzuwenden war, und legte die Frage dem EuGH vor.
Entscheidung
Der EuGH entschied, wie im Leitsatz wiedergegeben.
Hinweis
Die für Wiederverkäufer geschaffene Sonderregelung zur Differenzbesteuerung von Lieferungen beweglicher körperlicher Gegenstände, sofern für diese Gegenstände kein Recht zum Vorsteuerabzug bestanden – in der Regel Gebrauchtgegenstände – in § 25a UStG beruht auf Art. 26a der 6. EG-RL. Während die Richtlinienvorschrift ausdrücklich bestimmt, dass die Differenzbesteuerung unter bestimmten Voraussetzungen "auf die Lieferung von Gebrauchtgegenständen, Kunstgegenständen, Sammlungsstücken und oder Antiquitäten" anzuwenden ist (Art. 26a Teil B Abs. 1 der 6. EG-RL) und den Begriff des Gebrauchtgegenstands ausdrücklich definiert (Art. 26a Teil A Buchst. d der 6. EG-RL), erwähnt § 25a UStG den Begriff des Gebrauchtgegenstands nicht und enthält demzufolge auch keine entsprechende Definition.
Stattdessen ist nur von "beweglichen körperlichen Gegenständen" die Rede; ausgeschlossen werden Edelsteine und Edelmetalle (§ 25a Abs. 1 Nr. 3 UStG). Die Kunstgegenstände, Sammlungsstücke und Antiquitäten sind in § 25a Abs. 2 UStG angesprochen. Gebrauchtgegenstände definiert die 6. EG-RL als "bewegliche körperliche Gegenstände, die keine Kunstgegenstände, Sammlungsstücke oder Antiquitäten und Edelsteine oder Edelmetalle gemäß der Definition der Mitgliedstaaten sind und die in ihrem derzeitigen Zustand oder nach Instandsetzung erneut verwendbar sind".
Angesichts der Definition – "in ihrem derzeitigen Zustand oder nach Instandsetzung erneut verwendbar" – hatte die schwedische Finanzverwaltung Zweifel, ob die Regelung auch auf Tiere anwendbar sei, die vom Wiederverkäufer zu einem speziellen Zweck ausgebildet worden sind (Pferde, die vom privaten Eigentümer – der nicht Züchter sein darf – angekauft und als Reitpferd ausgebildet weiterverkauft werden), die letztlich mit der Frage zusammenhängen, ob die Vorschrift auch auf Tiere anwendbar sei, die sich als Lebewesen ja laufend verändern und neue Eigenschaften erwerben und – wenn die Vorschrift auch auf Tiere anzuwenden ist – ob es sich nach einer speziellen Ausbildung ("hinzufügen" weiterer Eigenschaften) noch um denselben Gegenstand handelt, also den Gegenstand, der "im derzeitigen Zustand oder nach Instandsetzung erneut verwendbar" ist.
Beide Fragen hat der EuGH bejaht und dabei vor allem auf den Zweck der Differenzbesteuerung und deren systematischen Ansatz abgestellt: Es soll nur der wirtschaftliche Mehrwert besteuert werden, den der Unternehmer jeweils in den verschiedenen Stadien des Herstellungs- und Vertriebsprozesses bis zur Phase des Endverbrauchs schafft. Dies will die Differenzbesteuerung erreichen in den Fällen, in denen der Wiederverkäufer einen Gegenstand verkauft, den er von einer Privatperson erworben hat, die bei dessen Erwerb in der Regel bereits Mehrwertsteuer entrichtet hat. Ohne die Differenzbesteuerung käme es im Ergebnis zu einer Doppelbesteuerung beim Verkauf durch den Wiederverkäufer, der die Vorsteuer des privaten Vorbesitzers nicht abziehen kann.
Link zur Entscheidung
EuGH, Urteil vom 1.4.2004, Rs. C-320/02 – Förvatnings AB Stenholmen –